Die Regierung der Ukraine hat eine Evakuierung von Zivilisten über sogenannte humanitäre Korridore nach Belarus und Russland abgelehnt. "Das ist keine akzeptable Option", erklärte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Die Zivilisten würden "nicht nach Belarus gehen, um dann nach Russland zu fliegen", betonte sie.
Russische Armee: Korridore nach Belarus und Russland
Die russische Armee hatte am Montagmorgen die Öffnung mehrerer humanitärer Korridore angekündigt, über die Menschen aus den Städten Kiew, Charkiw, Mariupol und Sumy in Sicherheit gebracht werden sollten. Dazu sollten in den umkämpften Städten Feuerpausen gelten. Die russische Armee erklärte, sie werde einen Korridor zwischen der ukrainischen Hauptstadt Kiew und der belarussischen Stadt Gomel öffnen, die nahe der Grenze zur Ukraine liegt.
Zwei weitere Korridore sollen demnach von Mariupol entweder in Richtung Russland nach Rostow-am-Don oder nach Westen in die ukrainische Stadt Saporischschja führen. Einen vierten Korridor solle es zwischen Charkiw und der russischen Stadt Belgorod geben. Schließlich sollten von Sumy zwei Korridore entweder nach Belgorod oder ins ukrainische Poltawa führen.
In der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol war am Sonntag ein zweiter Versuch einer Evakuierung der Zivilbevölkerung gescheitert.
Macron: "Das ist reine Verlogenheit"
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warf dem russischen Staatschef Wladimir Putin mit Blick auf die Fluchtkorridore "moralischen und politischen Zynismus" vor. Er kenne keine Ukrainer, die nach Russland fliehen wollten. Das sei "reine Verlogenheit", sagte Macron dem Sender TF1.
"Das ist eine bloße PR-Nummer, die ich verachte", sagte Macron. Es gehe darum, dass Helfer Zugang zu den Konfliktzonen bekämen und dass es einen vollständigen Waffenstillstand geben müsse, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. Sogenannte Korridore einzurichten, die gleich wieder angegriffen würden, sei "reine Heuchelei", meinte Macron.
Russischer Chefunterhändler wirft Ukraine Blockade vor
Der russische Chefunterhändler bei den Gesprächen zwischen Moskau und Kiew hat die ukrainische Seite beschuldigt, die Einrichtung von Flüchtlingskorridoren zu blockieren. "Die Nationalisten, die Positionen in den Städten eingenommen haben, halten dort weiterhin Zivilisten fest", sagte Wladimir Medinski im russischen Fernsehen. Die Ukrainer würden Zivilisten als "menschliche Schilde" missbrauchen - "das ist natürlich ein Kriegsverbrechen".
Medinski sagte, die russische Seite werde in den Gesprächen "erneut versuchen, mit der ukrainischen Seite über die Einrichtung der humanitären Korridore zu sprechen, die wir versprochen haben". Er sagte, die Korridore seien "offen" und die russische Armee habe den Beschuss im Bereich der Evakuierungsrouten eingestellt. Mehrere Evakuierungsversuche waren zuvor an der Nichteinhaltung von Waffenruhen gescheitert. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.
Rotes Kreuz: Vorgeschlagener Weg war vermint
Der für die zweite fehlgeschlagene Evakuierungsaktion aus der belagerten ukrainischen Stadt Mariupol am Sonntag vorgesehene Weg war nach Angaben von Helfern des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) vermint. Das IKRK-Team vor Ort sei bereit für die Evakuierung gewesen, sagte der IKRK-Vertreter Dominik Stillhart nun der BBC. "Aber als sie den ersten Kontrollposten erreichten, stellten sie fest, dass die Straße, die ihnen gezeigt wurde, in Wirklichkeit vermint war."
Die Schwierigkeit dabei, tausende in Mariupol unter katastrophalen Umständen festsitzende Menschen in Sicherheit zu bringen, sei, dass es keine zuverlässigen Absprachen zwischen den russischen Belagerern der Stadt und den ukrainischen Streitkräften und Behörden gebe. Die Gefahr für die Zivilisten bei einer geplanten Evakuierung über eine verminte Straße zeige, "wie wichtig es ist, dass beide Seiten eine genaue Vereinbarung treffen".
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