Es geht nicht schnell – alles verzögert sich beim Treffen von Bund und Ländern: Pressekonferenzen, Statements, Einigungen. Ein Grund dafür: das Thema Migration und damit verbundene Fragen – wie kann irreguläre Zuwanderung eingedämmt werden, sind Asylverfahren außerhalb der EU möglich und können sie in Drittstaaten ausgelagert werden?
Schärferer Asyl-Kurs: Signal an Bürger nach Europawahl
Der Fokus auf das Thema Migration beim Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Scholz macht deutlich: Die Regierung will einerseits ein Signal an die Bürger senden. Spätestens seit der Europawahl scheinen die Sorgen der Wähler angekommen zu sein, von Wohnungsnot bis hin zu überlasteten Kommunen. Andererseits treibt die Regierungschefs das starke Ergebnis der AfD bei der Europawahl um. Die im Herbst anstehenden Landtagswahlen im Osten werfen zudem ihren Schatten voraus.
Es ist eine schmale Gratwanderung: Die Menschen erwarten schnelle Lösungen. Gleichzeitig gilt für die Politik, die Wähler nicht mit Scheinlösungen und leeren Versprechungen weiter zu frustrieren.
Forderung der Länder: Asylverfahren in Drittstaaten
Die Länder fordern daher die Bundesregierung auf, konkrete Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten außerhalb der EU zu prüfen. "Das ist eine politische Antwort auf die Frage, ob solche Möglichkeiten denkbar sind. Wir werden nicht bei Gutachten stehen bleiben – jetzt werden Modelle geliefert und konkrete Vorschläge zur Umsetzung gemacht", sagt Boris Rhein (CDU), Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Hessens Regierungschef.
Ähnliches machen bereits Großbritannien mit Ruanda und Italien mit Albanien. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagt den Ländern zu, es müsse sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Italiens oder Großbritanniens Modelle könne aus rechtlicher Sicht nicht 1:1 übernommen werden. Im Dezember zum nächsten Bund-Länder-Treffen stellt Scholz aber in Aussicht, "dass man sich dann gemeinsam entscheiden kann." Bedeutet: Diese Entscheidung wird vertagt.
Scholz: "Wir haben die Zahl der Asylanträge reduziert"
Ein schärferer Asyl-Kurs scheint komplex, für den es offensichtlich weder einfache noch schnelle Lösungen gibt. Scholz ist bemüht zu betonen, welche Maßnahmen bereits angestoßen wurden: Gespräche mit Ländern laufen, um Migrationspartnerschaften zu schließen – aber auch, um Straftäter nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Er verweist zudem auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS): In Asylzentren an den EU-Außengrenzen sollen die Anträge aus Ländern mit niedriger Anerkennungsquote geprüft werden, um in Deutschland für Entlastung zu sorgen. "Wir werden das umsetzen", verspricht er. Viele Maßnahmen dauerten, bis sie ihre Wirkung zeigten. Der Kanzler aber bekräftigt: "Wir haben die Zahl der Asylanträge reduziert: fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr."
Das zeigen die Zahlen des Bundesamts für Migration: Von Januar bis Mai dieses Jahres haben rund 103.000 Menschen einen Erstantrag gestellt. Ein Minus von fast 18 Prozent, verglichen mit dem gleichen Zeitraum im Jahr 2023.
Söder: "Beschlüsse zu langsam, zu weich"
"Ich gehe davon aus, dass die Zahlen steigen werden", entgegnet Boris Rhein. Heißt: Die Union hingegen macht Druck auf die Bundesregierung, will einen härteren, schnelleren Kurs. Abgesehen von der Einigung, eine Bargeldobergrenze von 50 Euro für Bezahlkarten von Flüchtlingen einzuführen, zeigt sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im BR24-Interview enttäuscht, dass keine konkreten Entscheidungen beim Treffen gefallen sind: "Es wird geprüft, geprüft, geprüft. Es gibt Bedenken, Bedenken, Bedenken – aber keine konkreten Handlungen." Söder glaubt: "Uns läuft die Zeit davon." Zeit, um den Menschen zu vermitteln, dass die Politik ihre Sorgen ernst nehme – und handeln wolle. Der CSU-Politiker handelt dann selbst: Er verlässt das Treffen von Bund und Ländern noch vor dem offiziellen Abschluss.
Drittstaaten-Lösung: Irreguläre Migration dadurch begrenzen?
Am Ende eines langen Tages mit stundenlangen Debatten bleiben Fragen offen: Obwohl beim Bund-Länder-Treffen die Drittstaaten-Lösung im Zentrum stand, meint Olaf Scholz: Beim Italien-Albanien Modell geht es um 3.000 Migranten. Beim Großbritannien-Ruanda Modell um 6.000. Eine Drittstaaten-Lösung wäre daher nur ein Baustein von vielen in der Migrationspolitik.
Die tatsächliche Umsetzung eines Modells für Deutschland wäre zudem herausfordernd – es müssten Staaten gefunden werden, die zur Kooperation bereit wären. Und es muss die Frage beantwortet werden: Kann dadurch irreguläre Migration begrenzt werden? Das zumindest will die Politik damit bezwecken. Eine Antwort darauf dauert – mindestens bis Dezember.
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