Der französische Premierminister Michel Barnier hat nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen seine Mitte-Rechts-Regierung seinen Rücktritt eingereicht. Präsident Emmanuel Macron bat Barnier, mit seiner Regierung vorübergehend geschäftsführend im Amt zu bleiben, hieß es in Paris. Unterdessen steigt auch der Druck auf Macron selbst. Die Opposition macht ihn für die politische Situation im Land verantwortlich.
Deutliche Mehrheit gegen die Regierung
Am Mittwochabend hatten Abgeordnete des äußersten rechten und des linken Lagers die Regierung mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht. Auslöser war ein Streit über den Staatshaushalt und den von Barnier vertretenen Sparkurs. Frankreich ist hoch verschuldet und kann sich zurzeit nur noch gegen hohe Zinssätze am Markt finanzieren. Insgesamt 331 der 577 Abgeordneten entzogen dem Kabinett das Vertrauen. Für diesen Schritt waren mindestens 288 Stimmen nötig. Die Regierung ist dann nur noch geschäftsführend im Amt.
Rufe nach Rücktritt Macrons
Nach dem Regierungssturz forderten die Linken umgehend den Rücktritt des Präsidenten. Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen legte Macron ebenfalls den Rücktritt nahe. Sie forderte ihn nicht ausdrücklich dazu auf, machte ihn aber für die politische Situation verantwortlich.
Die Linkspopulisten erklärten bereits, dass sie gegen die nächste Regierung ebenfalls ein Misstrauensvotum einreichen würden, falls der nächste Premierminister nicht aus ihren Reihen hervorgehe. "Die einzige Lösung sind (...) vorgezogene Präsidentschaftswahlen", sagte die Abgeordnete Mathilde Panot dem Sender LCI.
Macron lehnt nach Regierungssturz eigenen Rücktritt ab
Am Abend wies Macron Rücktrittsforderungen in einer TV-Ansprache von sich. Er sagte: "Das Mandat, das Sie mir demokratisch anvertraut haben, ist ein Mandat auf fünf Jahre und ich werde es vollständig bis zu seinem Ende ausführen." Macron sagte, es sei seine Verantwortung, über das gute Funktionieren der Institutionen, die Unabhängigkeit des Landes und den Schutz der Bevölkerung zu wachen.
Macron will nach dem Regierungssturz zügig einen neuen Premierminister ernennen. "Wir können uns weder Spaltungen noch Stillstand leisten", sagte Macron am Abend in einer Ansprache an die Nation. "Aus diesem Grund werde ich in den nächsten Tagen einen Premierminister ernennen."
Im Video: Macron spricht zum Volk
Macron muss neuen Premier ernennen
Als nächster Regierungschef sind unter anderem der mit Macron eng vertraute Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch, der frühere Premier Bernard Cazeneuve sowie der frühere Präsident François Hollande – auch dass Michel Barnier noch einmal zum Zuge kommt, ist nicht völlig ausgeschlossen. Alternativ könnte Macron eine Expertenregierung einsetzen, die ohne politisches Programm ins Amt käme. Neuwahlen darf es erst ab Juli wieder geben – ein Jahr nach dem vorherigen Urnengang.
Politische Pattsituation bleibt
Der Fall der Regierung stürzt Frankreich in eine tiefe politische Krise. Da es vorerst keine Parlamentsneuwahl gibt, bleibt das Kräfteverhältnis unverändert eine Pattsituation. Weder das linke Lager, das die Parlamentswahl im Sommer gewann, noch Macrons Mitte-Kräfte und auch nicht die Rechtsnationalen um Marine Le Pen und ihre Verbündeten haben eine eigene Mehrheit.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
Im Audio: Der Druck auf Präsident Macron wächst
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