In Frankreich ist die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier am Mittwochabend durch ein Misstrauensvotum zu Fall gebracht worden. Auslöser ist der Streit über den Staatshaushalt. Abgeordnete aus dem rechten und dem linken Lager stimmten im Parlament gegen Barnier. Insgesamt 331 der 577 Abgeordneten entzogen dem Kabinett das Vertrauen. Für diesen Schritt waren mindestens 288 Stimmen nötig.
Barnier reicht heute den Rücktritt seiner Regierung bei Präsident Emmanuel Macron ein. Er wird um 10.00 Uhr im Elysée-Palast erwartet, wie das Präsidialamt am Mittwochabend mitteilte.
Jetzt muss der Präsident handeln
Die Regierung ist dann nur noch geschäftsführend im Amt. Präsident Macron muss einen neuen Premierminister ernennen. Als nächster Regierungschef ist unter anderem der mit Macron eng vertraute Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch. Alternativ könnte Macron eine Expertenregierung einsetzen, die ohne politisches Programm ins Amt käme. Neuwahlen darf es erst ab Juli wieder geben - ein Jahr nach dem vorherigen Urnengang.
Streit um Staatshaushalt im hoch verschuldeten Frankreich
Barnier hatte kurz vor der Abstimmung an die "Verantwortung" der Abgeordneten appelliert. Es sei ein "Moment der Wahrheit", betonte er. "Sie halten die Zukunft der Franzosen in den Händen."
Seit dem Nachmittag debattierte die französische Nationalversammlung über zwei Misstrauensvoten, die das Linksbündnis und der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) eingebracht hatten. Hintergrund ist der seit Monaten andauernde Streit um den Staatshaushalt und den von Barnier vertretenen Sparkurs. Frankreich ist hoch verschuldet und kann sich zurzeit nur noch gegen hohe Zinssätze am Markt finanzieren.
Politische Pattsituation bleibt
Der Fall der Regierung stürzt Frankreich in eine tiefe politische Krise. Da es vorerst keine Parlamentsneuwahl gibt, bleibt das Kräfteverhältnis unverändert eine Pattsituation. Weder das linke Lager, das die Parlamentswahl im Sommer gewann, noch Macrons Mitte-Kräfte und auch nicht die Rechtsnationalen um Marine Le Pen und ihre Verbündeten haben eine eigene Mehrheit.
Rücktrittsforderungen an Macron - der kündigt Ansprache an
Nach Deutschland droht damit auch die zweite Säule des wichtigen deutsch-französischen Motors in Europa in zeitweisen politischen Stillstand zu rutschen und sich vor allem um ihre innenpolitischen Probleme kümmern zu müssen.
Zudem lässt der Regierungssturz auch Präsident Macron nicht unbeschadet zurück. Der Staatschef hatte Barnier nach langen Sondierungen zum Premier ernannt, seine Mitte-Kräfte regierten mit. Die Opposition dürfte nun versuchen, Macron aufgrund der komplizierten politischen Verhältnisse zu einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl zu drängen. Erste entsprechende Forderungen gab es bereits am Abend: Sowohl RN-Fraktionschefin Le Pen als auch die Linke um Jean-Luc Mélenchon verlangten den Rücktritt des Präsidenten. Bisher hat Macron diesen Schritt stets abgelehnt.
Der Präsident, gerade zurück von einem Staatsbesuch in Saudi-Arabien, kündigte an, er werde sich am Donnerstag um 20.00 Uhr in einer TV-Ansprache an das Land wenden.
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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