Vor fünf Jahren, am 20. August 2018, hat Greta Thunberg den ersten Schulstreik für das Klima gestartet. Daraus entstand die weltweite Bewegung Fridays for Future. Wo steht die Initiative heute in Bayern?
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Fünf Jahre Klimaprotest: Was macht "Fridays for Future" heute?

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Fünf Jahre Klimaprotest: Was macht "Fridays for Future" heute?

Im August 2018 gab Greta Thunberg mit ihrem "Schulstreik für das Klima" den Startschuss für die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future". Nach Massendemonstrationen und großer Aufmerksamkeit stellt sich die Frage, wo die Bewegung heute steht.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Sie streike nicht jeden Freitag für das Klima, habe sie auch noch nie, sagt Ronja Hofmann. Die 20-jährige Studentin ist seit Beginn der "Fridays for Future"-Proteste in Deutschland mit dabei, zuerst in ihrer Heimat Lörrach, später am Studienort München.

Einmal im Monat ist sie freitags nicht in der Schule, sondern auf der Straße. Ihr Chemielehrer hatte sie auf die Bewegung aufmerksam gemacht. Den Rest der Chemiestunde habe sie gleich damit verbracht, mit einer Freundin in der letzten Reihe eine Demo zu planen. "Wir waren sofort Feuer und Flamme und dachten uns, dass es das hier in der Nähe auch geben muss", sagt Ronja Hofmann.

Fridays for Future: Bewegung nicht mehr so aktiv wie 2019

Das war vor fünf Jahren. Viele Mitstreiter von damals sind heute nicht mehr dabei. Schon vor der Corona-Pandemie, die die Streiks zwischenzeitlich beendet hat, wurden die Demonstrationen kleiner. Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung erklärt das mit einer veränderten Mobilisierungsdynamik seit dem Höhepunkt der Proteste 2019.

"Man stellt sich ab einem gewissen Zeitpunkt die Frage: Was passiert denn jetzt, nachdem man mit 1,4 Millionen Leuten auf der Straße war? Im Anschluss an diese Enttäuschung, dass die politische Reaktion hinter dem, was eigentlich notwendig wäre, zurückblieb, gab es zunächst eine Demobilisierung. Das bedeutet, dass viele Leute anschließend nicht mehr zu den Klimastreiks gekommen sind." Simon Teune, Protestforscher

Auch deshalb sind die Schulstreiks an den Freitagen eher eingeschlafen. Auch viele Klimacamps sind längst wieder abgebaut. "Fridays for Future" setzt mittlerweile auf weniger, dafür aber größere Aktionen. So waren beim globalen Klimastreik im März 2023 zwar noch 220.000 Menschen in Deutschland auf den Straßen, auf dem Höhepunkt 2019 waren es allerdings sechsmal so viele.

Mediales Interesse an "Fridays for Future" sinkt

Auch die mediale Aufmerksamkeit hat nachgelassen, schildert der Forscher. "Wir beobachten in der medialen Dynamik eine ähnliche Entwicklung wie in der Dynamik auf der Straße", sagt Teune. Wenn ein Protest über lange Zeit hinweg immer wieder stattfinde, dann nehme der Nachrichtenwert ab.

"Fridays for Future" hat also nicht mehr die Präsenz, wie noch vor vier Jahren. Die Klimabewegung ist in der Berichterstattung aber nach wie vor präsent – inzwischen jedoch vor allem durch die "Letzte Generation". Diese andere Form des Protests, das Festkleben auf Straßen oder das Beschmieren von Häusern, Kunstwerken oder Fahrzeugen, lenkt durch zivilen Ungehorsam die Aufmerksamkeit weg von "Fridays for Future". Der "Letzten Generation" sei es gelungen, einen neuen Anlass für die Berichterstattung zu schaffen und den Konflikt zuzuspitzen und sichtbar zu machen, so der Protestforscher.

"Letzte Generation" zieht die Aufmerksamkeit auf sich

Dass die "Letzte Generation" mediale Aufmerksamkeit erzeugt und gezielt nutzt, sieht auch Carla Reemtsma, eine der Mitbegründerinnen von "Fridays for Future" in Deutschland, so. Die "Letzte Generation" spiele genau mit dieser medialen Aufmerksamkeit, sagt Reemtsma. Die Aktivisten hätten zwischendrin versucht, Pipelines mit Öl aus Russland abzudrehen, weil es nicht sein könne, dass Deutschland Geld dafür zahle, während Russland die Ukraine angreift. "Das hat allerdings nicht so viele Leute interessiert, weil es nicht so kontrovers war", sagt die "Fridays for Future"-Mitbegründerin.

Frust über politische Entscheidungen

Protestforscher Teune beobachtet auch, dass Anhänger von "Fridays for Future" frustriert sind über die ihrer Meinung nach zu geringen Fortschritte beim Klimaschutz und sich deshalb nach anderen Formen des Protests umsehen, wie den Aktionen der "Letzten Generation".

Für Carla Reemtsma ist das kein Widerspruch, sie hält unterschiedliche Protestformen sogar für notwendig. So biete "Fridays for Future" ein niedrigschwelliges Angebot für Massenprotest, während die "Letzte Generation" darauf setze, Politik und Gesellschaft so lange zu stören, bis Veränderung eintrete. "Ich finde es erschreckend zu sehen, dass Leute das Gefühl haben, sie müssen ihre eigene körperliche Unversehrtheit aufs Spiel setzen und diese Strafen in Kauf nehmen", sagt Reemtsma zu Aktionen der "Letzten Generation". "Genauso erschreckend empfinde ich den Hass, der ihnen von den Autofahrerinnen und Autofahrern teilweise entgegenkommt."

Studentin Ronja Hofmann sieht das genauso. Muss "Fridays for Future" also seinen Protest anpassen? Nein, sagen Ronja Hofmann und Carla Reemtsma. Sie setzen weiter auf den gewaltfreien Massenprotest. Eine Unterstützerin wird dabei in Zukunft fehlen: Greta Thunberg. Sie ist mittlerweile mit der Schule fertig und will nun andere Formen des Protests finden.

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