Nach einer teils hochemotionalen Debatte hat der Bundestag grünes Licht für das neue Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung gegeben. Das Plenum stimmte am Freitag in namentlicher Abstimmung mehrheitlich für das Gesetz, mit dem die Änderung von Geschlechtseinträgen auf dem Amt künftig deutlich leichter werden soll als bisher.
Bei insgesamt 636 abgegebenen Stimmen votierten 374 Abgeordnete für das Gesetz. Mit Nein stimmten 251, elf Abgeordnete enthielten sich. Unterstützung für das Gesetz der Koalition kam aus der Gruppe Die Linke. Union, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) lehnten eine Zustimmung klar ab. Die Zustimmung des Bundesrats ist nicht notwendig.
Geschlechtseintrag lässt sich nun mit einfacher Erklärung ändern
Das Gesetz ersetzt das umstrittene Transsexuellengesetz, das in Teilen vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden war. Verbände der LGBTQ-Community begrüßten das neue Gesetz als "Meilenstein" und "historischen Schritt". Volljährige transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen können künftig mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag ändern.
Bei Kindern unter 14 Jahren sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. In beiden Fälle ist aber eine Erklärung über eine vorherige Beratung notwendig. Eine Begrenzung, wie oft der Geschlechtseintrag geändert werden kann, gibt es nicht. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben - erst danach ist eine erneute Änderung möglich. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Drei-Monats-Frist.
Bisheriges Transsexuellengesetz umstritten
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte zum Bundestagsbeschluss: "Im Jubiläumsjahr des Grundgesetzes ist das stimmig." Bislang behandele der Staat transgeschlechtliche Menschen wie Kranke, wenn sie ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen. "Mit dem Grundrecht auf Achtung der geschlechtlichen Identität war und ist dieser Rechtszustand schwer in Einklang zu bringen." Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach von einem "guten Tag für nichtbinäre, trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland".
Mehr als 40 Jahre lang seien Betroffene durch das Transsexuellengesetz diskriminiert worden. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz sei "endlich Schluss damit". Das bisherige Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 hatte vorgesehen, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende entschied dann das zuständige Amtsgericht. Teile der Vorschriften wurden aber inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Das bisherige Gesetz habe "über 40 Jahre lang viel Leid verursacht", sagte im Bundestag der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne). Als Beispiele nannte er unter anderem "Sterilisierungen, Scheidungen und psychiatrische Begutachtungen".
Vorwürfe aus der Opposition
Aus der Opposition kam dagegen scharfe Kritik. Die CDU-Abgeordnete Mareike Wulf (CDU) warf der Regierungskoalition vor, dass mit dem Gesetz künftig jeder Bürger seinen Geschlechtseintrag auf dem Amt ändern lassen könne, ohne dafür eine nähere Begründung zu nennen. Die AfD fand teils drastische Worte. "Jeder soll plötzlich irgendwie alles sein können", rief der Abgeordnete Martin Reichardt. Er sprach von "ideologischem Unfug" und von "Transextremisten".
Auch die Abgeordnete Sahra Wagenknecht sorgte mit ihren Äußerungen für Aufregung im Saal. "Ihr Gesetz ist frauenfeindlich und Ihr Gesetz macht Eltern und Kindern zu Versuchskaninchen einer Ideologie, von der nur die Pharma-Lobby und die Pharmaindustrie profitiert", befand die Vorsitzende der Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Neuregelungen würden zwar keine chirurgischen Eingriffe betreffen, sie würden aber "die Weichen dafür stellen", warf sie der Regierung vor.
Mit Informationen von AFP und dpa.
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