Menschenmenge in einer Innenstadt (Symbolbild)
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Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Leben wir in sozialen Blasen?

Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Leben wir in sozialen Blasen?

Tauschen wir uns nur noch mit Menschen aus, die uns ähnlich sind? Und falls ja: Was bedeutet das für die Gesellschaft? Der Studienautor des ersten "Zusammenhaltsberichts für Deutschland" macht sich Sorgen. Aber es gibt auch Hoffnung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wie homogen sind unsere Freundes- und Bekanntenkreise? Bewegen wir uns nur noch in sozialen Blasen und was bedeutet das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Diesen Fragen geht der erste Zusammenhaltbericht des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) nach. Für die Studie mit dem Titel "Entkoppelte Lebenswelten?" wurden über 12.000 Menschen von 2021 bis 2022 befragt.

Studienautor: "Politik kann spalten"

Das Kernergebnis: Zwar ist die deutsche Gesellschaft noch davon entfernt, in vollständig getrennte Blasen gespalten zu sein. Doch es gibt bestimmte soziale Gruppen, die dazu tendieren, unter sich zu bleiben. Besonders Politik biete Spaltungs- sowie Polarisierungspotential, sagt Studienautor und FGZ-Sprecher Olaf Groh-Samberg im BR24-Interview.

So geben etwa 50 Prozent der befragten AfD-Sympathisanten an, dass sich ihr Bekanntenkreis überwiegend aus AfD-Sympathisanten zusammensetzt. Bei Grünen-Wählern sind es sogar 62 Prozent Grünen-Sympathisanten. Während sich Sympathisanten jeweils mit ihren eigenen Gruppen identifizieren, findet gleichzeitig eine Abwertung der anderen politischen Gruppe statt.

"Politik ist Streit. Streit spaltet in gewisser Weise immer. Aber die Frage ist: Wie weit ist man trotz eines Streits bereit, andere Gruppen noch zu verstehen, sich auf andere Gruppen einzulassen?", fragt Groh-Samberg. Blasenbildungen und Abschottung führten jedenfalls dazu, dass die Bereitschaft dazu geringer werde.

Soziale Blasen, soziale Ungleichheiten

Ebenfalls stark ausgeprägt ist der Studie zufolge die Gruppenbildung bei Personen muslimischen Glaubens, bei geringer Bildung und in ländlichen Gegenden.

Der Studienautor macht sich persönlich "große Sorgen": Angesichts von Krisen und Konflikten "sehe ich große Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. Es passiert aber wenig, dass diese Ungleichheiten geringer werden – diese sind aber die wesentliche Ursache der Konflikte, die wir haben."

Lösungsansatz: Räume des Austauschs und der Begegnung

Doch Groh-Samberg macht auch Hoffnung und bietet Lösungsansätze: Jeder und jede könne sich im Alltag selbst hinterfragen, an welchen Punkten man sich von anderen Gruppen distanziere oder auf ein Gespräch verzichte. Dabei gehe es nicht darum, immer derselben Meinung zu sein, sondern unterschiedliche "Lebenswelten zu respektieren und kennen zu lernen".

Konkret könne dabei in der Stadtplanung angesetzt werden, um zu verhindern, dass verschiedene Gruppen vollkommen isoliert voneinander leben. Auch sieht Groh-Samberg in einem sozialen Pflichtjahr die Chance, den Zusammenhalt zu stärken.

Generell fordert er Politik wie Gesellschaft dazu auf, mehr Räume des Austauschs und der Begegnung zu schaffen: "Wie können wir in der jetzigen Situation Möglichkeiten schaffen, dass das Verständnis zwischen sozialen Gruppen besser gelingt? Dass der Respekt gegenüber anderen Gruppen größer wird."

Runder Tisch: "Leuchtende Vorbilder" von Toleranz

Genau das hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) am heutigen Mittwoch im Berliner Schloss Bellevue versucht: Angesichts des Kriegs in Nahost und der Auswirkungen in Deutschland hat Steinmeier Vertreter jüdischer und palästinensischer Gemeinden, Organisationen und Initiativen zu einem Runden Tisch eingeladen. Denn: Er macht sich Sorgen über den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden in Deutschland.

"Wir spüren die innere Zerrissenheit vieler, die auf die Straßen gehen, und wir spüren auch die scheinbar unüberbrückbaren Differenzen zwischen einzelnen Gruppen", sagte der Bundespräsident. "Dass wir auch in Zukunft friedlich zusammenleben können, ist aktuelle Herausforderung und gleichzeitig die große Aufgabe, vor der wir in der näheren Zukunft stehen – und zwar alle."

Am Runden Tisch waren unter anderem die 102 Jahre alte Holocaust-Überlebende Margot Friedländer und Betreiber eines israelisch-palästinensischen Restaurants in Berlin. Sie alle sind laut Steinmeier "leuchtende Vorbilder" und lebten Dialog, Respekt und religiöse Toleranz – gerade in Zeiten von Terror und Hass. Die Gespräche zum Zusammenleben in Deutschland sind demnach erst der Auftakt, weitere werden folgen.

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