Der diesjährige Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober hatte seinen Feier-Schwerpunkt in Hamburg. Hunderttausende Menschen besuchten das zweitägige Bürgerfest in der Innenstadt. Der protokollarische Höhepunkt fand in der Elbphilharmonie statt.
Appell für Gemeinsinn statt Populismus
Zum Festakt in der Elbphilharmonie kam die gesamte Staatsspitze zusammen, die Regierungschefs der Länder und insgesamt rund 1.300 geladene Gäste. Darunter waren unter anderem Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev, Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Drag Queen Olivia Jones und der Komiker Otto Waalkes.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) appellierte als Gastgeber an den Gemeinsinn der Bürgerinnen und Bürger in Krisenzeiten. Nur ein starkes demokratisches Deutschland könne Verantwortung übernehmen für ein starkes Europa, das sich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einsetze, sagte der Bundesratspräsident. "Nicht Populismus und Polarisierung, sondern Gemeinsinn und Kooperation sind das Gebot der Stunde. Dafür tragen wir alle Verantwortung."
Staat auf persönliches Engagement von Bürgern angewiesen
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, mahnte in seiner Festrede an, den Staat mit seinen Institutionen und Regularien einfacher und effizienter zu gestalten. Gleichzeitig sei auch ein handlungs- und leistungsfähiger Staat auf private Initiative und persönliches Engagement angewiesen.
Das Grundgesetz baue darauf, dass Bürgerinnen und Bürger sich einbringen, sagte Harbarth. Dies sei "Quell von Innovation und Fortschritt, von wirtschaftlicher Prosperität und ökologischer Nachhaltigkeit" und zugleich halte es unsere Gesellschaft zusammen. Zudem rief er zu mehr Miteinander auf: "Die Demokratie lebt auf Dauer nur, wenn wir alle miteinander im Gespräch bleiben. Wagen wir dieses Gespräch über die Grenzen des Bekannten hinaus, in Respekt und mit Stil."
Kirchen rufen zu Solidarität auf
Zuvor hatten sich die gesamte Staatsspitze und zahlreiche Gäste bereits zu einem ökumenischen Gottesdienst im Hamburger Michel eingefunden, wo Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs ebenfalls den Zusammenhalt in der Gesellschaft beschwor. Hamburgs katholischer Erzbischof Stefan Heße rief in seiner Predigt bei dem Festgottesdienst zur Solidarität mit Flüchtlingen auf und forderte eine Reform des europäischen Asylsystems: "Wir brauchen eine menschenwürdige und eine solidarische Flüchtlingspolitik."
Bundeskanzler Scholz dankt mutigen Ostdeutschen
Kanzler Olaf Scholz (SPD) warb über die Plattform X (vormals Twitter) dafür, neue Entwicklungen als Gelegenheit zur Gestaltung zu begreifen. Dem Mut der Ostdeutschen sei viel zu verdanken. "Sie schenkten unserem Land seine Einheit in Frieden und Freiheit. Auch in herausfordernden Zeiten wie diesen geht es darum, Horizonte zu öffnen."
Bürgerfest in Hamburg - 700.000 Besucher
Die Feierlichkeiten hatten bereits am Montag mit einem großen Bürgerfest unter dem Motto "Horizonte öffnen" begonnen. Rund um Rathaus und Binnenalster kamen dazu nach Angaben des Sprechers des Bürgerfestes schon am ersten Tag mehr als 300.000 Besucherinnen und Besucher zusammen. Bei Fischbrötchen und Bier und bei der "Nacht der Einheit" konnten sie an vielen Orten der Innenstadt ein Programm aus Live-Musik, Tanzaufführungen und Ausstellungen verfolgen.
Am Dienstag trübte zwar das Wetter mit viel Wind und Regenschauern die Feierlaune etwas ein. Dennoch herrschte am und um den Rathausmarkt großer Andrang, wo sich die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht präsentierten. Ebenfalls beliebt waren die Zelte der Bundesländer sowie die Blaulichtmeile, eine Leistungsschau von Polizei und Feuerwehr. Insgesamt kamen nach Angaben des Sprechers noch einmal mehr Menschen in die Innenstadt als am Tag zuvor, nämlich rund 400.000.
Polizei stoppt Protestzug
Es gab aber auch Proteste gegen die Feierlichkeiten. Bereits kurz nach dem Start stoppte die Polizei am Montagabend jedoch den Demonstrationszug mit mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie dpa-Reporter berichteten. Die Demonstranten aus der linken Szene hatten ein Transparent enthüllt, auf dem Deutschland vulgär beschimpft wurde.
Motto 2024: "Vereint Segel setzen"
Die Einheitsfeier bildete den Schluss- und Höhepunkt der Bundesratspräsidentschaft Hamburgs. Am Nachmittag übergab Bürgermeister Tschentscher den Staffelstab symbolisch an Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie übernimmt das Amt am 1. November. Das Motto ihrer Bundesratspräsidentschaft lautet "Vereint Segel setzen". Vereint stehe für das vereinte Deutschland, sagte sie. Segel setzen passe zu einem Bundesland mit viel Wasser wie Mecklenburg-Vorpommern. "Und es beschreibt auch die Aufgabe, vor der Deutschland steht."
Tausende Besucher in Mödlareuth
Tausende Menschen besuchten das einstmals geteilte Dorf Mödlareuth im Landkreis Hof. Dort gab es ein Sonderprogramm des Deutsch-Deutschen Museums. Highlight war die Anwesenheit von Jakob Feige als Vertreter des Stasi-Unterlagen-Archivs Gera, bei dem sich Interessierte erklären lassen konnten, wie sie ihre eigene Stasi-Akte einsehen können. Der Andrang darauf machte dabei deutlich, dass dafür auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch einiger Bedarf besteht.
Außerdem fand unter dem Motto "Mödlareuth - grenzenlos bunt" ein Fest der Demokratie statt. Im Zuge einer Kunst-Aktion namens "Kunst auf der Grenze" präsentierten zudem fünf Künstlerinnen und Künstler von drei Kontinenten verschiedene Aktionen und Installationen zu den Themen Grenze, Trennung und Flucht.
Politische Veranstaltungen in ehemaligem Grenzort
Neben dem zum dritten Mal stattfindenden Fest der Demokratie führten dort am Tag der deutschen Einheit auch die CSU und die AfD größere politische Veranstaltungen durch, auch SPD und Grüne waren mit Info-Ständen vor Ort. Am Rande des Geschehens hat zudem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine grenzüberschreitende Wanderung durchgeführt: Die Gewerkschaftler wollten damit auf das noch immer bestehende deutliche Lohngefälle zwischen den neuen und alten Bundesländern hinweisen.
Mit Informationen von dpa
Im Video: Einheitsfeiern mit Symbolkraft in Mödlareuth
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