Die Ampel will einem Medienbericht zufolge im Herbst ein Gesetz zur Ablösung der Staatsleistungen auf den Weg bringen. Aktuell bezahlen die Bundesländer mehr als 600 Millionen Euro jährlich an die katholische und evangelische Kirche. Das Ziel ist, diese jährlichen Zahlungen zu beenden, indem eine endgültige Ablösesumme ausgehandelt wird.
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet (externer Link; möglicherweise Bezahlinhalt), soll der für den Herbst geplante Gesetzentwurf so gestaltet werden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Anschließend sind die Bundesländer dran: Sie müssten dann die konkreten Modalitäten mit den Kirchen aushandeln und die Ablöse aus ihrem Haushalt bezahlen.
Grüne und AfD in Bayern begrüßen Pläne
In Bayern stoßen die Pläne der Bundesregierung auf gemischte Reaktionen. Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, betont, es sei absolut richtig, die Staatsleistungen für die Kirchen abzuschaffen. Auch die AfD-Fraktion im Landtag begrüßt die Pläne der Ampelregierung, allerdings aus anderen Gründen. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner sagte dem BR, zwar seien die christlichen Kirchen fest in der Bevölkerung verankert, jedoch seien die Bischöfe der Amtskirchen "ausschließlich Sprachrohr der Regierung" und sollten nicht mehr vom Staat bezahlt werden.
FW-Fraktionschef Streibl: Haushalt steht Vorhaben entgegen
Bedenken äußerte hingegen die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Katja Weitzel. Bei aller Kritik an den Staatsleistungen müsse immer bedacht werden, dass deren Ablösung auch Konsequenzen für die Gesellschaft haben werde, sagte sie dem BR. Dennoch sei es verfassungsrechtlicher Auftrag, die Ablöse umzusetzen.
Mehrheitlich skeptisch steht dem Vorhaben hingegen Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag, gegenüber. Die Haushaltslage des Bundes und der meisten Länder würden es nicht zulassen, diese Leistung jetzt abzulösen. Eine Ablösung bedürfe intensiver Verhandlungen, so Streibl, der voraussagte, in dieser Legislatur werde dies "sicher nichts".
Söder lehnte "komplette Trennung von Staat und Kirche" zuletzt ab
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder äußerte sich heute nicht. Er hatte seine Position im Juni klargemacht: Die 77 Millionen Euro, die Bayern aus dem Staatshaushalt an die Kirchen zahlt, seien "gut angelegtes Geld". Eine stabile Kirche stabilisiere auch den Staat. Er sei daher "gegen eine komplette Trennung von Staat und Kirche", so der Ministerpräsident vor zwei Monaten.
Warum gibt es überhaupt Staatsleistungen?
Vor 200 Jahren enteignete der Staat die Kirchen und eignete sich deren Güter, Grundstücke und Ländereien an. Im Gegenzug verpflichteten sich die Landesherren, die Vorgänger der heutigen Bundesländer, die Besoldung und Versorgung kirchlicher Würdenträger sicherzustellen. Bis heute werden beispielsweise die Gehälter von Bischöfen aus Staatsleistungen bezahlt.
Wie können die Staatsleistungen abgelöst werden?
Mit der Weimarer Reichsverfassung, vor 105 Jahren, wollte man die finanziellen Verflechtungen zwischen Staat und Kirche lösen. In Artikel 138 wurde festgelegt, dass die Staatsleistungen abgelöst werden. Diese Regelung wurde dann mit Artikel 140 ins Grundgesetz übernommen.
Über Jahrzehnte hinweg gab es in den deutschen Parteien keinen ernsthaften Willen, die Staatsleistungen abzulösen. "Die Kirchen waren die beiden großen Institutionen. Sie übernahmen viele Aufgaben im Sozialbereich, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, aber auch im Bildungsbereich – und dann hat man gesagt, man will sich mit den Kirchen nicht überwerfen", sagt Kirchenrechtler Thomas Schüller im BR-Interview.
Kirchenrechtler: Ende der Staatsleistungen ist Bürgerwille
Hinzu kommt, eine Ablöse würde die Länderkassen enorm belasten, weshalb dann auch weniger Geld für andere staatliche Aufgaben zur Verfügung stünde. Auch die schrumpfenden Mitgliederzahlen der Kirchen lassen in der Gesellschaft regelmäßig die Diskussion aufflammen, weshalb die Länder immer noch Millionen an die Kirchen zahlen – finanziert aus Steuermitteln. "Bei dem großen Vertrauensverlust, den die Kirchen erlitten haben, durch die Skandale, dem Umgang mit sexualisierter Gewalt, begrüßen natürlich viele Bürgerinnen und Bürger als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dann nicht mehr Geld an die Großinstitutionen zu geben", so Kirchenrechtler Schüller.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.