Bundesweit einheitlich im Internet das Auto zulassen oder Kindergeld beantragen, weniger Papierkram für Handwerker, einheitlichere Standards in Schulen, generell mehr Vertrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern: Nach ihrem Appell für einen "handlungsfähigen Staat" hat eine Initiative um die früheren Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) in Berlin 30 konkrete Vorschläge vorgelegt.
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Die Vorschläge laufen auf eine umfassende Neuordnung der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen hinaus. Die Mitglieder warnen vor einem Schaden für die Demokratie, sollte der Staat nicht handlungsfähiger werden. Ein weiterer zentraler Punkt: Bürgerinnen und Bürger sollen in Form von Räten stärker beteiligt werden.
Voßkuhle: "Wollen in den Maschinenraum des Staates"
"Wir wollen in den Maschinenraum des Staates", sagte der frühere Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle, eines der Mitglieder des Gremiums. Eine große Reform könne nur gelingen, wenn die Themen Bürokratie, Digitalisierung und Sozialreformen zusammen gedacht würden.
"Wir müssen weniger und bessere Gesetze machen", forderte Voßkuhle. Diese müssten schon im Gesetzgebungsprozess eine Reihe von Checks durchlaufen, etwa mit Blick auf Soziales, Klima und Bürokratie. Um Klarheit zu schaffen, müsse außerdem das "Zuständigkeitswirrwarr" zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgelöst werden, etwa bei der Bildung und bei Abschiebungen.
Mehr Vertrauen – und ein neues Ministerium
Konkret forderte die Initiative zunächst eine auf Vertrauen basierende Verwaltung. Nötig seien weniger Berichts- und Dokumentationspflichten. Damit ist gemeint, dass weniger Nachweise verlangt werden sollen, von der Dokumentation von Hygienevorschriften für Metzger bis zur Arbeitszeitdokumentation bei Aushilfen. Wer aber das Vorschussvertrauen des Staates missbrauche, müsse "härtere Strafen" bekommen, sagte die Medienmanagerin Julia Jäkel.
Außerdem müsse der Staat die Digitalisierung sehr viel schneller vorantreiben, diese habe Deutschland "verschlafen". Dazu sei ein eigenes Ministerium nur für Digitalisierung und Verwaltung nötig. So soll eine Neuordnung der mehr als 10.000 unterschiedlichen Software-Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen gelingen.
Sozialbereich: Leistungen zusammenfassen und bündeln
Im Sozialbereich setzt die Initiative darauf, die Zuständigkeit für alle Leistungen in einem Ministerium zu bündeln, einzelne Sozialleistungen zusammenzufassen und alle Leistungen über eine zentrale Plattform bereitzustellen. Zugleich schlägt das Gremium eine allgemeine Dienstpflicht für alle vor. Das Pflichtjahr könne in sozialen oder kulturellen Einrichtungen, bei der Bundeswehr oder in Blaulichtorganisationen abgeleistet werden.
Ex-Bundesminister Steinbrück sagte: "Eine alleinerziehende Frau mit einem pflegebedürftigen Vater hat Anspruch auf ungefähr zwölf Sozialleistungen, denen vier verschiedene Einkommensbegriffe zugrunde liegen und sie muss sich mit acht Bewilligungsstellen befassen."
Dauerhaftes nationales Krisenreaktionszentrum
Beim Thema Sicherheit geht es laut dem Gremium darum, den Staat an die neue Sicherheits- und Gefahrenlage weltweit anzupassen. Dabei müsse der Bund die Zuständigkeit für den nationalen Katastrophenschutz erhalten und ein dauerhaftes nationales Krisenreaktionszentrum einrichten.
Auch der Schutz vor Cyberangriffen sei derzeit "völlig ungenügend", heißt es in dem Bericht, hier müsse ebenfalls der Bund die Zuständigkeit erhalten. Der Begriff der Verteidigung müsse überarbeitet, militärische und zivile Verwaltung müssten zusammengeführt werden.
Ball liegt jetzt bei der künftigen Bundesregierung
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als Schirmherr der Initiative agiert, legten die Initiatoren einen mehr als 80-seitigen Bericht mit Empfehlungen vor. Ob diese umgesetzt werden, obliegt der künftigen Bundesregierung und den übrigen Parteien. In einigen Fällen wären wohl Verfassungsänderungen nötig.
Mit Informationen von AFP und dpa
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