"Intensive Beratungen waren notwendig" – so diplomatisch umschreibt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den monatelangen Streit in der Ampel. Lindner plant mit 445,7 Milliarden Euro Gesamtausgaben und einer Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro. Nach den zusätzlichen Schulden in der Corona- und der Energiekrise soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Eine Trendumkehr – denn zuletzt hatte mehr Geld zur Verfügung gestanden. Zusätzliche Schulden wurden in Sonder-Haushalten aufgenommen, Kritiker nannten das "Schattenhaushalte".
Klima- und Transformationsfonds: Reserve für den Haushalt
Doch aus diesen Zeiten sind auch finanzielle Polster außerhalb des eigentlichen Etats geblieben. Bestes Beispiel: der Klima- und Transformationsfonds ("KTF"). Ursprünglich Milliarden aus dem Topf für Corona-Hilfen, die letztlich nicht ausgegeben wurden, und dann von der Bundesregierung als noch nutzbare Schuldenoption in den KTF geschoben wurden.
Der Bundesfinanzminister will Geld daraus zum Beispiel für die Bahn nutzen, aber auch für die versprochene Förderung beim Gebäudeenergiegesetz und andere Posten im Haushalt, die irgendwie mit Klima und Transformation zu tun haben. Die bereitstehenden Milliarden sollen so schnell wie möglich ausgeben werden. Denn die Regierung hatte gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Corona zu Klima mit der Dringlichkeit der Ausgaben begründet.
Verteidigung muss nicht sparen – wegen Krieg in der Ukraine
Auch ein anderes Sondervermögen soll zügig ausgegeben werden: Die 100 Milliarden für die Bundeswehr. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) muss keine Etatkürzung hinnehmen. Allerdings: Die Steigerung der Verteidigungsausgaben wird mehr oder weniger von den Personalkosten in der Bundeswehr durch die hohen Tarifabschlüsse im Öffentlichen Dienst aufgefressen. Die Ertüchtigung der Bundeswehr, die seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine politisch erwünscht ist, muss überwiegend aus dem Sondervermögen bezahlt werden.
Streit um Kindergrundsicherung ungelöst
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich mit einem Brief an Bundesfamilienministern Lisa Paus (Grüne) direkt in den Streit um die Kindergrundsicherung eingeschaltet. Darin sichert der Kanzler formal zu, was eigentlich eh klar ist: die Kindergrundsicherung kommt – so steht es im Koalitionsvertrag. Aber wie viel darf sie kosten? Darüber gibt es bisher keine Einigung. Die Grünen drohten, den Haushalt zu blockieren. Jetzt interpretieren sie den Kanzlerbrief als Unterstützung – so können die Grünen am Mittwoch dem Haushalt zustimmen, ohne das Gesicht zu verlieren.
Die Bundesfamilienministerin hat noch keine Zahlen vorgelegt – will das nach eigenen Worten "nicht öffentlich diskutieren". Sie hat jetzt bis Ende August Zeit, ihr Konzept vorzulegen, und einen Gesetzentwurf für das Kabinett zu schreiben. Allerdings ist sie weder vom Bundesfinanzminister noch vom Kanzler aus der Pflicht entlassen, innerhalb ihres Budgets zu bleiben. Heißt: wenn die Kindergrundsicherung höhere Mehrkosten verursacht, als Christian Lindner jetzt vorgesehen hat (es gibt im Haushalt einen "Platzhalter" von zwei Milliarden Euro), muss sie an anderer Stelle sparen.
Ausblick auf die nächsten Jahre
Rein von den Zahlen her wird 2024 die Schuldenbremse eingehalten, ein drohendes Haushaltsloch abgewendet. "Quantitative Konsolidierung" nennt das der Bundesfinanzminister. Doch eben das, also Löcher zu stopfen, funktioniert auf lange Sicht eher schlecht. Nach den Krisenjahren mit der zusätzlichen Schuldenaufnahme will das Bundesfinanzministerium jetzt wieder zurück auf einen Pfad der "qualitativen Konsolidierung". Also eine offene strukturelle Diskussion darüber, welche politischen Projekte wirklich Priorität haben. Auch abseits von Vorhaben des Koalitionsvertrages, die in völlig anderen Zeiten beschlossen wurden. Bundesfinanzminister Christian Lindner schwört seine Kollegen in der Koalition schon mal darauf ein, dass auch die kommenden Jahre aus seiner Sicht eher vom Sparen geprägt sein sollten.
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