Die Rede von Olaf Scholz im Bundestag zum Vorgehen der Regierung nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts war schon fast zu Ende, da kam - zum ersten Mal - das Eingeständnis des Bundeskanzlers: Ja, wir müssen auch Ausgaben beschränken.
Doch wo, darüber herrscht noch weitgehend Unklarheit. So gern die Bürger und die Wirtschaft auch wüssten, wo es Einschnitte geben wird – die Politik ist noch nicht so weit. Doch es gibt Tendenzen – und Spartipps aus der Opposition.
Sozialausgaben kürzen? Die Ampel ist gespalten
Die Sozialausgaben machen einen großen Brocken im Haushalt aus. Für Rente, Bürgergeld und andere Leistungen ist im Etat mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben veranschlagt. Was läge also näher, als hier über Kürzungen nachzudenken?
Dem steht entgegen, dass die Sozialausgaben in weiten Teilen gesetzlich verankert sind. Rentenansprüche etwa können nicht einfach per Beschluss gekürzt werden. Seit Jahren schon muss der Staat immer höhere Zuschüsse für die Rente aufbringen, weil die Rentenversicherungsbeiträge nicht ausreichen.
Kurzfristiges Sparpotenzial? Gibt es eher nicht. Langfristig allerdings wollte die FDP eine Aktienrente einführen. Mit Einzahlungen aus dem Steuertopf sollte ein Kapitalstock aufgebaut werden, der dann so viel Rendite abwirft, dass der Haushalt entlastet wird. Zehn Milliarden für 2023 wurden bereits gestrichen, zwölf Milliarden sollten 2024 folgen und stehen zur Disposition. Für die FDP wäre das schmerzlich, Grüne und SPD hängen nicht an diesem Projekt.
Kürzungen beim Bürgergeld? Nicht mit der SPD
Auch das Bürgergeld ist - wie die Rente - gesetzlich verankert. Direkte Sparmöglichkeiten, die schon 2024 durchschlagen, sind eher nicht in Sicht. Bei SPD und Grünen fehlt ohnehin der Wille dazu. Sie sehen im Bürgergeld die notwendige Reform des Hartz IV-Systems, das unter anderem Sanktionen vorsah, wenn jemand ein Arbeitsangebot ausschlägt.
Die FDP hat hier eine andere Sicht. Ähnlich wie die Union vertritt sie die Linie, dass die Anreize fehlen, eine Arbeit aufzunehmen: Einerseits fast fünf Millionen Empfänger von Bürgergeld, andererseits der Arbeitskräftemangel – das passe nicht zusammen.
Kürzungen bei der Höhe des Bürgergeldes werden vermutlich nicht kommen. Vorstellbar ist aber, dass sich SPD und Grüne sowie die FDP darauf einigen, mehr dafür zu tun, dass Bürgergeld-Empfänger arbeiten. Das würde Sozialausgaben sparen und dem Staat höhere Steuer-Einnahmen bescheren.
Kindergrundsicherung – Grüne haben Gegenwind
Niemand will bei armen Kindern sparen – das sagen auch Vertreter der Union. Aber ob das geplante Gesetz zur Kindergrundsicherung wirklich die Lage von armen Kindern verbessert, daran hat nicht nur die Opposition Zweifel. Das Gesetz würde - Stand jetzt - die Leistungen für Kinder nicht wesentlich erhöhen, aber einen neuen bürokratischen Apparat schaffen – mit entsprechenden Kosten.
Das kritisiert nicht nur die Union, sondern auch die FDP. Und hinter vorgehaltener Hand hört man auch aus den Reihen der SPD, man habe sich die Umsetzung der Kindergrundsicherung, die ja in den Händen der grünen Familienministerin Lisa Paus liegt, nicht so kompliziert vorgestellt.
Es könnte sein, dass dieses Projekt zumindest etwas verschoben wird. Sparpotential für 2024 gäbe es dann zumindest bei den Verwaltungskosten. Die Leistungen der Kindergrundsicherung sollen ohnehin erst 2025 starten.
Grüne fordern: Subventionen für Klima-Transformation alle umsetzen
Anfang der Woche hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen keinen Zweifel gelassen: Die milliardenschweren Projekte zur Klimaneutralität müssen aus seiner Sicht umgesetzt werden. Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern hat Habeck da beigepflichtet. Die Subventionen für den Umbau hin zur Klimaneutralität seien kein "nice-to-have", sondern unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Doch für die Unternehmen wird die Ungewissheit darüber, was sich der Staat noch leisten kann, wohl weitergehen. Auch Bürger, die für eine Gebäudesanierung oder den Heizungsumbau auf Fördergelder hoffen, müssen sich wohl gedulden. Ebenso Kommunen und Energieversorger, die die Wärmewende stemmen sollen. Außer einer allgemeinen Zusicherung, dass man alle Projekte wie geplant umsetzen wolle, gibt es noch keine Klarheit.
Klimaschädliche Subventionen abschaffen? Die FDP sträubt sich
Klimaschädliche Subventionen, also Gelder des Staates, die direkt oder indirekt klimaschädliches Handeln oder den Verbrauch fossiler Energien fördern, werden immer wieder genannt, wenn es um mögliche Sparmaßnahmen geht. Besonders die Grünen sehen darin eine Möglichkeit viele Milliarden zu "finden" und gleichzeitig den Klimaschutz zu fördern.
Das Umweltbundesamt beziffert klimaschädliche Subventionen auf mehr als 65 Milliarden Euro jährlich, fast die Hälfte davon entfällt auf den Verkehrsbereich. Dazu gehören Steuervorteile bei Dieselkraftsoff, Kerosin, Dienstwagen, oder auch die Pendlerpauschale, über die der Weg zur Arbeit steuerlich abgesetzt werden kann. Teile der SPD, aber vor allem die Liberalen, sträuben sich, an diese Subventionen heranzugehen. Die FDP argumentiert: Der Staat würde dann indirekt die Steuern erhöhen. Vorstellbar wäre allerdings, dass sich die Ampel auf ein schrittweises Abschmelzen von Steuervorteilen einigt.
Sparmaßnahmen - wann wird es Klarheit geben?
Heute Abend werden sich die Spitzen von SPD, FDP und Grünen zum Koalitionsausschuss treffen. Dabei geht es - so hört man aus den berühmten "Regierungskreisen" - erst mal darum, Klarheit über die Zahlen zu bekommen. Momentan weiß die Ampel offenbar noch nicht verlässlich, wieviel im Etat 2024 fehlt. Ganz zu schweigen davon, dass man sich schon einig wäre, wo und wieviel man sparen könnte.
Ganz generell sagen SPD und Grüne: Das Milliardenloch im Haushalt kann man nicht mit Einsparungen stopfen. Beide Parteien wollen 2024 noch mal die Schuldenbremse aussetzen. Das allerdings will die FDP verhindern. Ähnlich wie die Union fordert sie, zuerst alle Möglichkeiten für Einsparungen auszuschöpfen – und erst dann über mögliche weitere Schritte zu verhandeln.
Im Video: Bei den Finanzen holt eine "neue Realität" die Bundesregierung ein
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