Weltweit, so rechnet das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef vor, sind eine Milliarde Kinder vom Klimawandel bedroht. Und was sich bisher weit weg angefühlt hat, ist auch bei uns schon Realität. Wie Kinder und Jugendliche mit diesem Wissen - und der Angst vor einem Fortschreiten des Klimawandels - umgehen, haben Münchner Forscher jetzt untersucht.
Weitreichende psychische Folgen
Abgesehen von unmittelbaren gesundheitlichen Folgen wie körperlichen Verletzungen hat der Klimawandel auf die Kinder und Jugendlichen mentale Auswirkungen. Ein Forscherteam der Ludwig-Maximilians-Universität München rund um Inga Wermuth hat sie genauer untersucht und stellt die Ergebnisse auf dem Kongress für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Magdeburg vor. Das Spektrum reicht von akuten und längerfristigen, posttraumatischen Belastungsstörungen bis hin zu Depressionen und Ängsten, sagt Inga Wermuth von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LMU. Auch Schlaf und Appetit können gestört sein.
Wie oft diese Folgen in Deutschland vorkommen, ist bisher schlecht untersucht. Aber Daten aus den USA nach dem Hurrikan Katrina und aus Asien nach dem Tsunami Ende 2004 zeigen: Kinder sind nach Extremwetter-Ereignissen häufig traumatisiert. Sie können das Erlebte schlechter verarbeiten als Erwachsene, und das macht sie - auch später im Leben - anfälliger für Depressionen, Angststörungen und Drogenmissbrauch.
Immer mehr Kinder weltweit haben zu wenig zu essen
Global betrachtet kommt durch die Klimakrise noch ein weiteres Problem hinzu: Für Millionen Kinder in ärmeren Ländern wird es zunehmend schwierig, sich ausreichend zu ernähren. Dabei ist das essentiell, sagt Catherine Russell, die Direktorin von Unicef. Auch für die mentale Entwicklung. Gut ernährte Kinder wachsen besser, lernen besser und nehmen mehr am sozialen und wirtschaftlichen Leben teil, sagt Russell. Und sie seien mental widerstandsfähiger. Die ganze Welt müsse deshalb zusammenarbeiten, um jedes dieser Kinder zu erreichen.
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Auch in deutschen Kliniken ist Klimawandel ein Thema
Fehl- und Mangelernährung wegen steigender Temperaturen und Trockenheit - das ist in Deutschland kein Thema. Und trotzdem machen sich auch bei uns immer mehr Kinder und Jugendliche über die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels Gedanken. Das stellt Psychologin Inga Wermuth auch bei ihren Patientinnen und Patienten in München fest.
Die Angst vor dem Klimawandel ist zwar kein alleiniger Vorstellungsgrund in der Klinik. Aber es gebe bestimmte Gruppen wie etwa Kinder mit depressiven Symptomen oder Essstörungen. Sie würden das Thema Klimawandel immer häufiger ansprechen und sich fragen, wie sie mit den gravierenden Veränderungen umgehen sollen.
Laut dem LBS-Kinderbarometer fürchtet sich in Deutschland jedes dritte Kind vor dem Klimawandel. Und zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen wünschen sich von der Politik mehr Anstrengungen im Kampf dagegen. Der "Kontrollverlust", das Gefühl, nichts tun zu können, sorgt für Unsicherheit. Es kann sogar eine chronische "Klimaangst" vor dem Untergang der Umwelt entstehen.
Aktiv gegen die "Klimaangst"
Umso wichtiger sei es, die Kinder an der Diskussion und an politischen Entscheidungen mit zu beteiligen, sagt Inga Wermuth. Dadurch könnte das Gefühl der Ohnmacht überwunden werden. Hierfür könnten auch bestehende Systeme wie die Schule genutzt werden, glaubt Wermuth. Etwa, indem das Thema Klimawandel nicht nur projektbezogen behandelt, sondern als eigenes Schulfach etabliert werde. Dadurch würden die Kinder lernen, wie wir mit dem Klimawandel umgehen können, und sie könnten mehr am Diskurs und an Entscheidungen beteiligt werden.
Viele Kinder und Jugendliche haben sich inzwischen auch selbst Gehör verschafft: Etwa, indem sie mit Fridays for Future auf die Straße gehen und die Politik zum Handeln auffordern - und die "Klimaangst" durch aktives Handeln bekämpfen.
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