Zum zweiten Mal binnen sechs Monaten hat der Iran am Dienstag Israel mit Raketen angegriffen – mindestens ein Mensch kam dabei ums Leben. Im ganzen Land sei Raketenalarm ausgelöst worden, teilte die israelische Armee mit. Sie wies die Bevölkerung an, sich in Sicherheit zu bringen - gab am Abend jedoch vorläufig Entwarnung.
Nach israelischen Militärangaben feuerte der Iran 180 Raketen auf Israel. "Eine große Anzahl" sei abgefangen worden. Es habe aber auch ein paar Einschläge im Zentrum und im Süden des Landes gegeben, teilte Armeesprecher Daniel Hagari mit.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat nach dem iranischen Angriff Vergeltung angekündigt. "Der Iran hat heute Abend einen großen Fehler gemacht – und er wird dafür bezahlen", sagte Netanjahu dem israelischen Sicherheitskabinett nach Angaben seines Büros.
Palästinenser stirbt durch herabfallende Raketenteile
In Jericho im besetzten Westjordanland kam nach Behördenangaben ein Palästinenser durch herabfallende Raketenteile ums Leben. Der israelische Rettungsdienst meldete nach den iranischen Angriffen zwei Leichtverletzte im Raum Tel Aviv.
Die Armee gab am späteren Abend vorerst Entwarnung, die Gefahr aus dem Iran sei "im Moment" gebannt. Die Bevölkerung überall in Israel dürfe die Schutzräume wieder verlassen.
Im Video: Raketenalarm in Israel
Angriff als Reaktion auf Tötung von Iran-Verbündeten
Die iranischen Revolutionsgarden bestätigten den Angriff. Dieser sei eine Reaktion auf die Tötung von führenden Mitgliedern der Hamas und der Hisbollah durch Israel. Die Organisation drohte, dass die Angriffe noch intensiver werden würden, sollte Israel Vergeltung üben. Der iranische Präsident Massud Peseschkian erklärte, sein Land strebe nicht nach einem Krieg, werde aber jeder Bedrohung entschlossen entgegentreten.
Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Am vergangenen Freitag wurde mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans im Libanon getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.
Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein.
Biden befiehlt Abschuss iranischer Raketen
Die US-Regierung nannte den iranischen Raketenangriff auf Israel "vereitelt und unwirksam". Man habe bereits deutlich gemacht, dass dieser Angriff Konsequenzen haben werde und daran arbeite man nun mit Israel, sagte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan.
Die USA hatten bereits Stunden zuvor gesagt, man habe Hinweise darauf, dass der Iran in Kürze einen Raketenangriff auf Israel starten werde. Später hieß es aus dem Weißen Haus, Präsident Joe Biden habe das US-Militär angewiesen, Israel bei der Abwehr der iranischen Angriffe zu unterstützen und auf Israel gerichtete Raketen abzuschießen.
Im Video: ARD-Korrespondentin Katharina Willinger in Teheran
Deutscher in Tel Aviv berichtet
Vor dem iranischen Raketenangriff sind die Menschen in Tel Aviv per SMS gewarnt worden. "Präsidiale Anordnung: Sofort Schutzräume aufsuchen und dort bleiben bis zu weiteren Informationen", stand auf den Handys, berichtete der Deutsche Fabian Fritz, der seit eineinhalb Jahren in Tel Aviv lebt, dem BR. Er habe zum ersten Mal eine Warnung über das neue System bekommen und sei dann mit vielen anderen Menschen in einen öffentlichen Bunker gerannt. "Ich persönlich hab es noch nie so krass erlebt wie heute. Ein Alarm nach dem anderen", berichtet Fritz.
Gutteres: "Brauchen Waffenstillstand"
Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt.
UN-Generalsekretär António Guterres mahnte nach dem neuerlichen Raketenangriff die Konfliktparteien zur Zurückhaltung: "Das muss aufhören. Wir brauchen unbedingt einen Waffenstillstand", schrieb Guterres auf der Plattform X. Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte den Angriff des Irans auf Israel "auf das Allerschärfste". "Iran muss den Angriff sofort einstellen. Er führt die Region weiter an den Abgrund", schrieb sie bei X.
Im Video: ARD-Korrespondentin Hanna Resch nach dem Luftangriff in Tel Aviv
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