Etwa jeder Zweite in Deutschland stimmt islamfeindlichen Aussagen zu, viele Muslime erleben im Alltag Ausgrenzung. Zu diesen Ergebnissen kommt eine vom Bundesinnenministerium im Sommer veröffentlichte Untersuchung. Muslimfeindlichkeit in Deutschland – bei der Deutschen Islamkonferenz im November sollte es eigentlich ausschließlich um dieses Thema gehen. Doch nach dem Terrorüberfall auf Israel und dem Beginn der militärischen Reaktion Israels ist die Zahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland so stark gestiegen wie selten zuvor. Also hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Tagesordnung geändert und versucht beide Themen unter einen Hut zu kriegen: Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. Der Tenor: Beides ist nicht hinnehmbar.
Faeser: Muslimischer Antisemitismus muss benannt werden
Faeser wird gegenüber den Verbänden deutlich: Es gebe in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus, der auch von Muslimen ausgehe. Das müsse vor allem von islamischen Gemeinden und Verbänden benannt werden. Sie müssten sich laut und deutlich gegen Antisemitismus aussprechen und den Terrorismus verurteilen: "In den Freitagsgebeten, in den Gemeinden, auf Veranstaltungen oder auch auf den eigenen Social-Media-Kanälen – und zwar gleichlautend, egal ob auf Deutsch, Türkisch oder Arabisch kommuniziert wird."
Faeser spricht direkt den Verband Ditib an, der einer der größten Verbände in der Islamkonferenz ist und wegen seiner Verwobenheit mit der türkischen Staatsführung in der Kritik steht. In der vergangenen Woche hatte Ditib in einer seiner Moscheen einen Taliban-Vertreter auftreten lassen. Faeser forderte eine Antwort, wie der Verband garantieren werde, "dass so etwas" künftig nicht mehr vorkomme. Doch die Ditib hat eine übergeordnete Organisation in der Türkei, die Religionsbehörde Diyanet. Ihr Einfluss in deutschen Moscheen gilt als groß. Ihr Präsident hatte in einer Predigt in der Türkei Mitte Oktober von Israel als "rostigem Dolch" im "Herzen der muslimischen Geografie" gesprochen.
Faeser zur Lage in Deutschland: "…dass bei einigen nur ein Funke genügt"
Wie sich die Lage in Deutschland seit dem 7. Oktober, dem Tag des Terrorangriffs der Hamas, zugespitzt hat, hatte die Bundesinnenministerin zuvor analysiert: "Wir erleben derzeit, dass bei einigen nur ein Funke genügt, damit auf Worte des Hasses Taten der Gewalt folgen", sagte Faeser. Schwelende Konflikte werden sichtbar, genauso wie unterschiedliche Arten des Antisemitismus und des Muslim-Hasses. In dieser Lage versucht Faeser einen Brückenschlag: Auf keinen Fall dürften Muslime in Deutschland für islamistischen Terrorismus in Haftung genommen werden. Die meisten Musliminnen und Muslime seien seit langem tief in unserer demokratischen Gesellschaft verwurzelt. Und Faeser erklärt weiter: "Antisemitismus kann nicht mit Muslimfeindlichkeit bekämpft werden." Wer Stimmung gegen Muslime mache, unter dem Vorwand der Bekämpfung von Antisemitismus, "der will uns spalten und nicht einen". Die Grundlage fürs Gemeinsame bringt Faser auf die Formel: "Ob jüdisch, muslimisch, christlich oder atheistisch – wir haben hier alle unsere gemeinsame Heimat."
Faeser verspricht Maßnahmen gegen Muslimfeindlichkeit und Fortschritte bei Imamausbildung
Die Botschaft lautet: "Wir dürfen uns nicht spalten lassen." Das heißt für Faeser auch, dass auch Muslimfeindlichkeit in Zukunft besser dokumentiert werden soll als bisher und der Staat mehr zur Eindämmung unternehmen wird. Dazu sollen ab kommendem Jahr Meldestellen für Muslimfeindliche Vorfälle eingerichtet werden. Andererseits gibt es laut Faeser auch Forstschritte bei der Ausbildung von Imamen in Deutschland: Eine Vereinbarung des Ministeriums mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet und Ditib sei auf den Weg gebracht. Ziel sei es, die Entsendung von Imamen aus der Türkei in die Gemeinden der Ditib in Deutschland vollständig zu beenden, sagte Faeser.
Das ist die Deutsche Islamkonferenz
Die Deutsche Islamkonferenz wurde 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen. Sie soll die Institution der Bundesregierung zum Austausch und zur Kooperation mit Musliminnen und Muslimen sein. Seit Gründung der Konferenz wird darüber immer wieder darüber gestritten, wer dort die Interessen der Muslime. Zu den Teilnehmern zählen die überwiegend konservativ ausgerichteten Islamverbände, die den Großteil der rund 2.800 Moscheen in Deutschland betreiben, aber auch liberale Muslime.
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