"Jeder weiß, dass ich europakritisch bin, speziell EU-kritisch." So beginnt der AfD-Abgeordnete Martin Böhm seine Vorstellungsrede im Europa-Ausschuss des Landtags. In dem Gremium, das er künftig leiten möchte. Von so manchem Abgeordneten habe er im Vorfeld gehört, "sollte der Böhm den Ausschuss leiten, dann werde der Bock zum Gärtner gemacht." Dem werde nicht so sein, verspricht der Vize-Fraktionschef der AfD. In vielen Plenarreden habe er bereits bewiesen, dass er einer der Politiker sei, die Maß halten könnten. Er werde sein "Herzblut in die Ausschussleitung" legen, versichert Böhm.
Gewählt wird er trotzdem nicht. Die Entscheidung fällt deutlich aus: Zwölf Abgeordnete stimmen gegen ihn, Böhm bekommt nur seine eigene Ja-Stimme und die des anderen AfD-Abgeordneten. Stellvertreterin wird die ehemalige Europa-Abgeordnete Ulrike Müller (Freie Wähler). Sie wird den Europa-Ausschuss des Landtags nun leiten.
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Keine Chance für Stadler im Landwirtschaftsausschuss
Auch im Landwirtschaftsausschuss kommt der AfD-Kandidat nicht zum Zug. Ralf Stadler erhält drei von 15 Stimmen. Mutmaßlich sind es die der AfD-Abgeordneten, was aber nicht bekannt ist, da diese Wahl geheim abläuft. Die Leitung des Landwirtschaftsausschusses obliegt nun der stellvertretenden Vorsitzenden Petra Högl (CSU).
Zweifel am Umgang mit der AfD
Schon bei der Wahl der Landtagsvizepräsidenten Ende Oktober war der AfD-Kandidat Matthias Vogler gescheitert. Zum zehnten Mal insgesamt und zum ersten Mal in der neuen Legislaturperiode verweigerten die Abgeordneten der übrigen Fraktionen damit der AfD den Posten des Vizepräsidenten. Zuvor hatten CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD angekündigt, generell keinen AfD-Kandidaten zu wählen, egal in welcher Funktion. Gescheitert sind deshalb auch Ingo Hahn, Kandidat für den stellvertretenden Vorsitz im Umweltausschuss, und Christoph Maier, Vize-Kandidat im Verfassungsausschuss.
Allerdings bezweifeln einige Abgeordnete, dass das der richtige Umgang mit der AfD ist. So sagt beispielsweise die neue stellvertretende Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Müller, dem BR, die AfD sei demokratisch gewählt worden, deshalb hätte sie auch den Vorsitz bekommen müssen: "Es wären auch andere Wege möglich gewesen, um einen AfD-Vorsitzenden im Ausschuss zu überstimmen. Mit Leichtigkeit, wenn man dann inhaltlich arbeitet."
AfD stellt Mannes und Bergmüller kalt
Auch AfD-intern gab es Gerangel um Ausschuss-Posten. Die Abgeordneten Gerd Mannes und Franz Bergmüller, seit 2018 im Landtag, werden künftig in keinem Ausschuss mehr vertreten sein. Beide wären gern wieder in den Wirtschaftsausschuss eingezogen. Dort waren sie in der vergangenen Legislatur Bergmüller zufolge "ein Dreamteam". An ihrer Stelle hat die AfD nun die Landtagsneulinge Oskar Lipp, 27, und Florian Köhler, 29, in den Wirtschaftsausschuss geschickt.
"Leute, die nie gearbeitet haben"
Franz Bergmüller, Stimmkreis Rosenheim-West, lässt seiner Enttäuschung freien Lauf. Die AfD lege in Parlamenten sonst immer Wert auf berufliche Erfahrung. "Jetzt haben wir selber Leute drin, die nie gearbeitet haben", sagt Bergmüller im Gespräch mit BR24. Es fehle seiner Fraktion an "Weitsicht".
Stimmenkönig Mannes ohne Ausschusssitz
Gerd Mannes war bei der Landtagswahl erfolgreichster Direktkandidat seiner Partei. Er holte in Günzburg 24,4 Prozent der Erststimmen, lag damit gut acht Prozentpunkte vor dem landesweiten AfD-Ergebnis. Wie Bergmüller ist auch Mannes überzeugt, als Wirtschaftspolitiker in den vergangenen Jahren "einen Eindruck hinterlassen" zu haben. Dass ihn seine Fraktion nicht im Ausschuss will, akzeptiere er "natürlich".
Für Bergmüller ist der Hintergrund der Niederlagen klar: "Wir sind unbequem, wir sind Bürgerliche." Er und Mannes sind im AfD-Kosmos vergleichsweise gemäßigt, gehören nicht zum völkischen Lager der AfD. Zudem sind beide bekannt als Gegner der Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner. Mit der Wahl im Oktober wuchs die AfD-Fraktion auf 32 Abgeordnete, das radikale Lager hat seither die klare Mehrheit.
Böhm: "Keine statische Sache"
Dass Mannes und Bergmüller nun kaltgestellt wurden – gegen die Darstellung verwahrt sich Fraktionsvize Martin Böhm. Es gebe keinen Streit in den AfD-Reihen. Zumal die Entsendung in die Ausschüsse "keine statische Sache" seien. Als Grund für Bergmüllers Niederlage nennt Böhm dessen Abwesenheit am Abend der fraktionsinternen Wahl: "Er war schwer krank, konnte kaum reden."
Zur Vollständigkeit gehört, dass andere AfD-Abgeordnete in zwei Ausschüssen sitzen. Und der Neu-Parlamentarier Daniel Halemba, gegen den wegen Volksverhetzung ermittelt wird, vertritt seine Fraktion künftig im Petitionsausschuss.
Wie es für ihn nun weitergehe, wisse er nicht, sagt Gerd Mannes. Er habe jedenfalls nicht vor, "die nächsten fünf Jahre nichts zu tun".
Kein Ausscheiden geplant
Verlassen will weder er noch Bergmüller seine Fraktion. Für Mannes ist die AfD "weiterhin ein Wachstumsprojekt". Bergmüller will weiter beobachten, "wie die AfD sich aufstellt". Es gebe "rote Linien". Er stehe zum Beispiel "unverwüstlich an der Seite meiner Freunde in Israel".
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