Angesichts der immer katastrophaleren Lage im Gazastreifen wächst der Druck auf Israel, bei der Bekämpfung der islamistischen Hamas mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, forderte bei einer Sondersitzung des WHO-Exekutivrats am Sonntag in Genf eine neue Feuerpause.
Baerbock: "Hunger nährt auch weiteren Terrorismus"
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) betonte, es könne kaum noch humanitäre Hilfe für die Bevölkerung leisten. Und Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor den Folgen. "Wir sehen auf dramatische Art und Weise nicht nur das Leid, sondern der Hunger nährt auch weiteren Terrorismus", sagte sie in Dubai. In einem Interview des Deutschlandfunks (externer Link) rief sie arabische Staaten auf, die Hamas dazu zu bewegen, die Waffen niederzulegen.
Netanjahu: "Anfang vom Ende der Hamas"
Die israelische Armee verbreitete derweil Erfolgsmeldungen. "Wir rücken an die Kommandozentralen der Hamas heran", sagte Israels Nationaler Sicherheitsberater Zachi Hanegbi. Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte das Ziel, die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien. Dafür werde der Krieg "mit größerer Intensität" fortgesetzt.
Zahlreiche Kapitulationen von Hamas-Kämpfern wiesen darauf hin, dass sich die radikalislamische Palästinenserorganisation ihrem Ende nähere, erklärte Netanjahu zudem. "Sie legen ihre Waffen nieder und ergeben sich unseren heldenhaften Soldaten. Das wird noch eine Weile dauern. Der Krieg geht weiter, aber dies ist der Anfang vom Ende der Hamas", hieß es in Netanjahus Erklärung.
Video: Erklärung von Israels Premier Netanjahu
Hamas droht mit Tötung von Geiseln
Der Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas, Abu Obeida, kündigte eine Fortsetzung der Kämpfe gegen die israelischen Truppen an. Den Soldaten gelinge es allen Versuchen zum Trotz nicht, den "Widerstand" der Hamas zu brechen, sagte Obeida im Fernsehen. Er kündigte gleichzeitig an, dass keine Geisel den Gazastreifen lebend verlassen werde, wenn die Forderungen seiner Organisation nicht erfüllt würden.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden nach israelischen Angaben dabei getötet. Durch die darauf folgenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen starben nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen 17.700 Menschen.
Humanitäre Lage im Gazastreifen katastrophal
Ziele in der Nähe des europäischen Gaza-Krankenhauses und des Al-Amal-Krankenhauses im Süden des Küstenstreifens sind nach Informationen des UN-Nothilfebüros OCHA wiederholt beschossen worden. Dutzende Verletzte hätten deshalb die Notaufnahmen nicht erreichen können, berichtete OCHA am Sonntag. Die beiden Krankenhäuser sind ebenso wie andere Spitäler völlig überfüllt. Nach Schätzungen des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mussten 85 Prozent der einst rund 2,2 Millionen Einwohner aus ihren Häusern fliehen, weil diese beschädigt oder zerstört wurden oder weil Israel wegen der Kämpfe zur Räumung von Gebieten aufgerufen hatte.
Nach palästinensischen Angaben wurden bei einem israelischen Luftangriff auf ein Wohnhaus in dem Flüchtlingsviertel Dschabalia im Norden des Gazastreifens mindestens 31 Menschen getötet. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht dazu. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte unterdessen mit, in das Al-Aksa-Krankenhaus im zentralen Teil des Gazastreifens seien seit Samstagabend 45 Leichen gebracht worden, die bei israelischen Angriffen getötet worden seien.
Karte: Die militärische Lage im Gazastreifen
Hamas laut israelischer Armee demoralisiert
Die israelische Armee teilte am Sonntag mit, erstmals seit Beginn des Krieges vor mehr als zwei Monaten seien Truppen der Artillerie auch innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bislang war die Artillerietruppe von der Grenzlinie aus im Einsatz. Bei Einsätzen im Bereich von Schedschaija seien mehr als 20 Ziele angegriffen worden. Dabei handele es sich um Waffenlager, mit Sprengfallen präparierte Häuser sowie Infrastruktur der Hamas.
Den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia Sinwar, konnten die Israelis bisher nicht aufspüren. Er soll sich kurz nach Beginn des Krieges in einem Hilfskonvoi in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens abgesetzt haben, meldeten israelische Zeitungen unter Berufung auf Informationen des Senders Kan.
Israels Armeesprecher Daniel Hagari erklärte, Hamas-Terroristen, die sich ergeben haben, hätten ausgesagt, dass sich die Kämpfer in einer "schwierigen Lage" befänden und die Hamas-Führung unter Sinwar die "Realität leugnet". Keine dieser Angaben kann von unabhängiger Seite überprüft werden. Extremistische Palästinenser setzten allerdings auch am Sonntag ihre Raketenangriffe auf israelische Grenzorte fort.
Mit Informationen von dpa
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