Das Bürgergeld wird vielfach diskutiert: 2024 ist es so stark angehoben worden, wie nie zu vor – um zwölf Prozent, monatlich ein Plus von bis zu 61 Euro. Gleichzeitig sollen Jobverweigerer künftig härter bestraft werden als bisher.
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Wie sieht die Strafe für Jobverweigerer aus?
Wer sich wiederholt weigert, einen Job anzunehmen, soll kein Bürgergeld mehr bekommen. Das bedeutet: Liegt ein konkretes Jobangebot vom Amt vor, das der Bürgergeld-Empfänger annehmen könnte, es aber willentlich ablehnt, dem kann der Regelsatz gestrichen werden. Das sind derzeit für einen alleinstehenden Erwachsenen 563 Euro monatlich. Bis zu zwei Monate kann das Bürgergeld dann gestrichen werden. Ausgenommen von der Sanktion sind die Kosten für die Wohnung und Heizung – diese sind immer gesichert.
Auf BR24-Anfrage heißt es vom Bundesarbeitsministerium: Die Strafe könne jederzeit aufgehoben werden, wenn die oder der Betroffene das Jobangebot annimmt: "Das Ziel des Bürgergelds ist es nicht, Menschen zu sanktionieren, sondern sie in Arbeit zu bringen."
Strafe soll befristet gelten
Die Sanktion soll zunächst für zwei Jahre befristet gelten. Darauf hat sich die Ampel-Regierung im Zuge der Aufstellung des Bundeshaushalts geeinigt. Die Grünen im Bundestag erklären, den jetzigen Kompromiss durchgesetzt zu haben. Dagegen heißt es aus Regierungskreisen, es sei nichts Ungewöhnliches, neue Maßnahmen zu befristen und anschließend auszuwerten.
Die Bundesagentur für Arbeit soll zusammen mit ihrem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nach zwei Jahren überprüfen, wie wirksam die neuen Regeln denn sind.
Kann Bürgergeld mehr als zwei Monate gestrichen werden?
Theoretisch ja. Vom Bundesarbeitsministerium heißt es hierzu auf Anfrage: "Denkbar sind jedoch auch zeitlich sehr eng aufeinanderfolgende Leistungsentzüge." Denn: Wird dem Bürgergeld-Empfänger ein neuer Job vom Amt vorgeschlagen, den er ebenfalls ablehnt, dann kann ihm erneut das Bürgergeld für zwei Monate entzogen werden.
Aber: Der Entzug des Bürgergelds ist immer erst im Folgemonat nach der Arbeitsverweigerung wirksam – und setzt zudem eine Anhörung voraus. Das heißt: Es wird geprüft, ob es einen wichtigen Grund für das Verhalten des Jobverweigerers gibt. Betroffene haben die Möglichkeit, ihre persönliche Situation zu schildern und die Arbeitsverweigerung zu begründen. Daher geht das Ministerium davon aus, dass es in der Praxis immer wieder zu Zeiten des vollständigen Bezugs von Bürgergeld kommt.
Wie viele sind betroffen?
Es dürften nur wenige Bürgergeld-Bezieher von einer vollständigen Leistungskürzung betroffen sein. Denn: Wie eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagt, waren beispielsweise im Jahr 2018 rund drei Prozent aller damals noch Hartz-lV-Empfänger (seit 2023 Bürgergeld-Empfänger) sanktioniert – aber größtenteils nicht, weil sie Jobs verweigerten. Sanktionen gibt es beispielsweise auch bei Meldeversäumnissen. Nur ein kleiner Teil der drei Prozent waren totale Jobverweigerer. Auch die Vorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern, Verena Bentele, meint, dass nur extrem wenig Empfänger vom Wegfall des Bürgergelds betroffen wären. Das belegen auch weitere Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: 97 von 100 Menschen kamen im Jahr 2022 mit Minderungen/Sanktionen gar nicht in Berührung.
Zur Einordnung: Im Jahr 2023 haben laut der zuständigen Bundesagentur für Arbeit rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld erhalten. Davon sind aktuell 3.932.000 Bezieher erwerbsfähig. Rund 1,5 Millionen Bezieher sind nicht erwerbsfähig – dabei handelt es sich meist um Kinder.
Warum wird gekürzt und wie viel wird eingespart?
Die härtere Sanktion beim Bürgergeld hat zwei Gründe:
1. Grund: Haushaltsloch – Geld sparen
Die neue Regelung bei den Sanktionen ist eine Folge des schwierigen Bundeshaushalts der Ampel-Regierung: Es fehlen mehrere Milliarden Euro, daher muss gespart werden, so auch im Arbeitsministerium.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will mit dem Bürgergeldentzug für Jobverweigerer 170 Millionen Euro einsparen. Das Ministerium weist aber auch darauf hin, dass die Einsparung bei Totalverweigerern "präventiv" wirken soll: "Sie bewirkt, dass Personen und alle Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft idealerweise gar nicht erst bedürftig werden bzw. bleiben, weil sie künftig zumutbare Arbeitsangebote nicht ablehnen oder ihre Arbeit bereits zuvor nicht aufgeben." Die Sanktion soll also eher abschrecken.
Wird bedacht, dass mehrere Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlen, dürfte die Einsparung von 170 Millionen Euro durch die Sanktionen bei Jobverweigerern einen eher symbolischen Charakter entfalten.
Aber: Nicht nur Jobverweigerern soll das Bürgergeld teils entzogen werden – als weitere Sparmaßnahme entfällt auch der Bürgergeld-Bonus für alle. Dieser wurde erst vergangenes Jahr eingeführt und jetzt wieder abgeschafft: 75 Euro konnten Bürgergeld-Empfänger für Weiterbildungen ohne Abschlusszertifikat bekommen (nicht zu verwechseln mit dem Weiterbildungsgeld von 150 Euro, das bestehen bleibt). Mit der Abschaffung des Bürgergeld-Bonus sollen jährlich weitere rund 100 Millionen Euro eingespart werden.
2. Grund: Hilfsbedürftigkeit nicht ausnutzen
Die harte Sanktion beim Bürgergeld hat aber noch einen weiteren Grund, wie das Bundesarbeitsministerium schreibt: Aus den Jobcentern gebe es Praxisberichte, "dass einige wenige Beziehende von Bürgergeld zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern und somit bewusst ihre Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten beziehungsweise nicht vermindern". Der soziale Rechtsstaat sei aber darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit – also Steuern der Bürgerinnen und Bürger – die eigentlich zur Hilfe für bedürftige Menschen gedacht sind, tatsächlich nur im Falle von Bedürftigkeit genutzt werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Am geplanten Entzug der Leistungen – dem härtesten Mittel einer Sanktion – gibt es auch Kritik und Zweifel. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, zeigt sich auf BR24-Anfrage skeptisch und bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019. Das Gericht habe entschieden, "dass das Existenzminimum in Deutschland zu jeder Zeit gesichert sein muss. Diese Vorgaben sind Grundlage unserer Verhandlungen, darauf prüfen wir den Vorschlag der Bundesregierung nun im parlamentarischen Verfahren genau." Als ersten Erfolg verbuchen die Grünen die zeitliche Befristung der Sanktion auf zwei Jahre.
Die Bundesregierung will das Existenzminimum sicherstellen, indem Jobverweigerern auch weiterhin die Kosten für die Unterkunft sowie fürs Heizen gezahlt werden. Das Arbeitsministerium bezieht sich auf BR24-Anfrage ebenfalls auf das Urteil aus dem Jahr 2019, um die Sanktionen zu begründen – denn das Gericht hat "auch einen vollständigen Wegfall der Leistungen in bestimmten Fallkonstellation als möglich erachtet." Diese Möglichkeit wolle man jetzt gesetzlich ausgestalten.
Den Plänen der Bundesregierung zum Bürgergeld muss der Bundestag, also die Abgeordneten, noch zustimmen. Sie können noch Änderungen daran vornehmen.
Im Audio: #Faktenfuchs - Behauptung, dass Sozialleistungen Migration anziehen, ist nicht belegt
Dieser Artikel ist erstmals am 11. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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