Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz
Bildrechte: Arno Trümper / BR
Videobeitrag

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Videobeitrag
>

Keine Angst vor Putin: Mutmacher in München

Keine Angst vor Putin: Mutmacher in München

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz versucht der ukrainische Präsident, dem Westen Mut zu machen. Und der Bundeskanzler präsentiert Deutschland als Führungskraft. Geht nun ein Ruck durch die Reihen der Ukraine-Unterstützer? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Am frühen Morgen meldet die ukrainische Armee ihren Rückzug aus Awdijiwka. Es ist der größte militärische Rückschlag seit der gescheiterten Gegenoffensive im Sommer vergangenen Jahres. Awdijiwka war bislang Frontstadt an der Grenze zum russisch besetzten Gebiet an der Ost-Ukraine. "Eine professionelle Entscheidung, um das Leben möglichst vieler Menschen zu schützen", nannte es der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz. Doch nichts symbolisiert derzeit den Druck nicht nur auf die Ukraine, sondern auf den auf den Westen insgesamt besser als dieser Rückzug.

Zuversicht vor einer düsteren Perspektive

Selenskyj kam in München ohne Klagen aus, ohne Rügen. Erst gegen Ende seiner Rede, ging er auf die Lage an der Front ein, die Forderung nach mehr Waffen kommt unterschwellig: Es gebe ein "künstliches Waffendefizit", weswegen die Ukraine derzeit nicht mit der nötigen Intensität kämpfen könne. Von Selenskyjs Worten ging vor allem die Botschaft an den Westen aus, nicht in Resignation zu verfallen: "Wir haben den Mythos zerstört, dass russische Waffen stärker sind. Europa zeigt jetzt, dass unsere Gesellschaft eine atlantische Gesellschaft genannt werden kann."

Optimismus und Zuversicht wirken am besten, wenn man als Kontrast ein düsteres Zukunftsbild malt: "Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zu einer Katastrophe zu machen." Putin zu stoppen sei eine Anstrengung aller, die Zeit zu handeln jetzt. "Bitte fragen sie nicht die Ukraine, wann der Krieg zu Ende ist, fragen Sie sich das selber." Die Antwort ist jedem klar: Es hakt bei der Entschlossenheit der westlichen Unterstützung.

Deutschland schreitet voran, aber…

Deutschland schreitet voran mit einem bilateralen Sicherheitsankommen mit Kiew, für Präsident Selenskyj "das wertvollste und das stärkste, was die Ukraine bis dato" hatte. "As long as ist takes", sagt Kanzler Scholz. Ein Versprechen, Partner Nummer eins zu sein, selbst wenn alle Stricke reißen. Die psychologische Wirkung des Versprechens ist für die Ukraine genauso wichtig wie die Materielle.

In München rief Scholz die Europäer auf, mehr zur Verteidigung der Ukraine beizutragen. Nico Lange, Senior Fellow der Sicherheitskonferenz bewertet die Rede des Kanzlers ambivalent: Zwar tue Deutschland eine Menge und sei eine Führungsnation geworden, besonders weil die Ukraine-Unterstützung der USA gerade schwierig sei. "Aber es war nicht die zündende Rede, die geeignet wäre, andere europäische Länder mitzureißen", sagte Lange in BR24live. Der Kontrast zwischen dem Auftritt Scholz‘ und dem Selenskyjs hätte nicht größer sein können.

Video: Sicherheitsexperte Nico Lange im Interview

Der Politologe und Publizist Nico Lange im Gespräch mit BR24live
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Der Politologe und Publizist Nico Lange im Gespräch mit BR24live

Scholz versicherte, Deutschland werde auch "in 30 Jahren und darüber hinaus" zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung stecken – eine Ankündigung, die Politikwissenschaftler Bierling im BR24-Livestream skeptisch sieht: "Wir erreichen die zwei Prozent nur mit Schummeleien, etwa, indem die Pensionen für Ex-NVA-Soldaten eingerechnet werden. So richtig ran kommen wir da nicht." Trump hatte damit gedroht, allen NATO-Mitgliedern, die die Zwei-Prozent-Vorgabe verfehlten, im Kriegsfall den militärischen Beistand zu verwehren. Auch was Scholz‘ Angaben zur Ukraine-Unterstützung angeht, ist Bierling zurückhaltend: "So viel wie der Kanzler meint, liefern die Deutschen dann doch nicht. Das sind geschönte Zahlen."

Immerhin hat Deutschland das angegriffene Land seit Kriegsbeginn mit mehr als 28 Milliarden Euro unterstützt. Jetzt kommt ein neues Hilfspaket oben drauf. 1,13 Milliarden Euro ist es wert und umfasst Artilleriemunition, Haubitzen und Flugabwehrsysteme. Die deutsche Unterstützung sei vital für die Kämpfer an der Front, sagt Selenskyj. Denn – siehe Awdijiwka – die Lage im Osten des Landes ist besorgniserregend.

Scholz: Abschreckung muss glaubwürdig sein

Der Westen, so kann man die Appelle auf der Münchner Sicherheitskonferenz zusammenfassen, wird in der Ukraine verteidigt. Und die Unterstützung mit Geld und Waffen soll die Worte "endlich" nachhaltig mit Taten füllen. Europa muss sich selbst helfen – das Mantra der Konferenz angesichts einer möglichen zweiten Präsidentschaft von Donald Trump – hallt beständig durch den Bayerischen Hof.

Der Politikwissenschaftler Stephan Bierling warnt bei BR24, sich Illusionen hinzugeben. "Trump ist bereit, die Ukraine über die Klinge springen zu lassen." Seine Äußerungen zur NATO seinen ein "großer Warnschuss, dass es ohne Amerika mehr europäischer, mehr deutscher Anstrengungen bedarf." Scholz bediente diese Erwartung in München: "Unsere Fähigkeit zur Abschreckung und Verteidigung muss glaubwürdig sein", sagte er. Nur dann werde "Putin verstehen: einen Diktatfrieden auf Geheiß Moskaus wird es nicht geben." Scholz unterstreicht mit seinen Worten, dass jede Abschreckung nur dann funktioniert, wenn sie der Gegner ernst nimmt. Deshalb waren Trumps NATO-Äußerungen eine Einladung für Putins imperialistische Ambitionen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!