Klimaaktivistin Carla Reemtsma
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Klimaaktivistin Reemtsma: "Greta spricht nicht für uns"

Nach der Parteinahme von Greta Thunberg für Palästina hagelte es Kritik aus Deutschland. Carla Reemtsma ist eine der bekanntesten Klimaschutzaktivistinnen. Im BR24-Interview erklärt sie, warum die internationale Zusammenarbeit gestoppt wurde.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hatte mit einem pro-palästinensischen Auftritt erneut Empörung ausgelöst. Auch von deutschen Aktivisten von Fridays for Future gab es harsche Kritik. Die Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma erklärt im Interview mit BR24, warum die Bewegung auch ohne Greta Thunberg funktioniert und zieht rote Linien für die Zukunft.

BR24: Wie bewerten Sie das Verhalten von Greta Thunberg?

Carla Reemtsma: Greta Thunberg verletzt mit ihren Aussagen ganz viele Menschen, indem sie jüdisches Leid nicht klar benennt. Das verletzt viele Menschen und es ist nicht die Position, die wir als FFF in Deutschland vertreten. Und das haben wir auch klargemacht.

"Fridays for Future Deutschland steht für sich selbst"

BR24: Es gibt bei dem, was auf den Social-Media-Kanälen von Fridays for Future International und dem, was von Fridays for Future Deutschland kommuniziert wird, eine große Spaltung mit Blick auf Israel. Wie gehen Sie damit um?

Reemtsma: Wir haben eine ganz eindeutige Beschlusslage. Wir stehen als Bewegung gegen jeden Antisemitismus. Wir verurteilen den Terror der Hamas aufs Schärfste. Und wir stehen für den Schutz von jüdischem Leben, hier und überall. Das hat sich in keiner Weise verändert. Dementsprechend ist klar, dass wir Konsequenzen ziehen. Für uns ist klar: Greta spricht nicht für Fridays for Future Deutschland und vertritt nicht unsere Position. Fridays for Future Deutschland steht für sich selbst. Wir haben deshalb Konsequenzen getroffen und internationale Prozesse ausgesetzt. Im nächsten Schritt schauen wir, wo es ein geteiltes Wertefundament gibt, auf dem wir aufbauen können.

BR24: Was meinen Sie mit Wertefundament?

Reemtsma: Innerhalb unserer Bewegung, für die wir als Fridays for Future stehen, gibt es keinen Platz für Antisemitismus oder andere Diskriminierung.

BR24: Aber nach den teils antisemitischen Äußerungen, mit wem sprechen Sie denn da auf internationaler Ebene?

Reemtsma: Als Bewegung haben wir gerade auch auf der internationalen Ebene sehr lose Strukturen. Und das macht es natürlich herausfordernd. Aber für uns ist eben klar, wir setzen unsere Beteiligung an diesen Strukturen aus, solange keine Klarheit über geteilte Werte besteht. Und dazu finden aktuell Gespräche statt.

"Antisemitismus hat keinen Platz in der Bewegung"

BR24: Diese Spaltung zwischen Fridays for Future International und FFF Deutschland, ist die erst durch die unterschiedlichen Reaktionen auf den Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel entstanden?

Reemtsma: Für uns als Fridays for Future Deutschland als eine der Ländergruppen, die sehr stark aufgestellte Strukturen hat, war immer klar - und das steht auch seit 2019 in unserem Selbstverständnis - dass Antisemitismus keinen Platz in der Bewegung hat. Wir setzen uns auch intern durch Fortbildungen und Workshops damit auseinander, weil wir alle in einer Gesellschaft groß geworden sind, die strukturell antisemitisch ist und wo Verschwörungserzählungen in den vergangenen Jahren im öffentlichen Raum noch mal an Bedeutung gewonnen haben. Deshalb war klar, dass wir uns aus diesem Anlass noch mal ganz explizit dazu positionieren.

BR24: Eine Verschwörungstheorie hat auch FFF auf seinem internationalen Account gepostet. Mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten: "So unterziehen euch westliche Medien einer Gehirnwäsche". War das mit Ihnen abgestimmt?

Reemtsma: Nein. Es gibt international Telegramgruppen, die dann Social-Media-Accounts bespielen. Vor einem Post werden nicht alle Länder mit einer Fridays-for-Future-Gruppe gefragt, sondern das sind im Zweifelsfall ein paar Leute, die die Accounts bespielen.

BR24: Wenn sich zeigt, dass es kein gemeinsames Wertefundament gibt, wie weit geht dann die Distanzierung von Fridays for Future International? Tritt Fridays for Future Deutschland dann aus, ändert seinen Namen?

Reemtsma: Natürlich ist das - wie kann das konkret aussehen? – etwas womit wir uns gerade ganz stark beschäftigen. Und gleichzeitig ist klar: Was gerade Priorität hat, ist die Solidarität mit Jüdinnen und Juden in Israel, in Deutschland und weltweit und die Anteilnahme mit allen Betroffenen. Das ist gerade der Fokus und das Herz unserer Arbeit als Bewegung. Solidarisch zu sein und unsere Haltung immer wieder und wieder deutlich zu machen. Gerade weil wir auch erleben, dass Antisemitismus in Deutschland wächst, dass es vermehrt antisemitische Vorfälle und sogar Anschläge gibt. Deswegen machen wir unsere Haltung auch immer wieder klar – was auch in der Gesellschaft ankommt.

"Bewegung ist weit über Greta hinausgewachsen"

BR24: Kann Fridays for Future Deutschland als Bewegung weitermachen ohne Greta Thunberg als Leitfigur?

Reemtsma: Auf jeden Fall. Natürlich war Greta für viele der erste Anknüpfungspunkt, bei FFF mitzumachen. In den vergangenen fünf Jahren ist die Bewegung aber weit über Greta hinausgewachsen, regelmäßig haben Hunderttausende mit uns protestiert. Sie sind Teil einer großen zivilgesellschaftlichen Bewegung für konsequenten Klimaschutz. Das geht nicht verloren. Gerade weil unsere Positionierung so klar ist und weil wir wissen, wo wir stehen, bin ich mir sicher, dass wir weiterhin mit vielen für diesen konsequenten Klimaschutz protestieren werden.

BR24: Aber solange Sie Fridays for Future heißen: Die Menschen differenzieren vielleicht nicht, wo der antisemitische Post herkommt, ob von FFF International oder FFF Deutschland.

Reemtsma: In Gesprächen bekommen wir schon mit, dass da differenziert wird. Gerade aus jüdischen Gemeinden, aber auch anderen Teilen der Öffentlichkeit melden sich Menschen und sagen, wie gut und wichtig unsere klare Haltung ist und dass wir betonen, wo wir stehen, was wir machen und welche Probleme wir sehen. Da gibt's schon eine differenzierte Wahrnehmung.

Im Video: Eklat bei Klimademonstration

Greta Thunberg (l.) wird von einem Klimaaktivisten unterbrochen, nachdem sie ihre Solidarität mit den Palästinensern zum Ausdruck gebracht hatte.
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Greta Thunberg (l.) wird von einem Klimaaktivisten unterbrochen, nachdem sie ihre Solidarität mit den Palästinensern zum Ausdruck gebracht hatte.

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