Stefanie Babst war lange die ranghöchste Deutsche im Nato-Generalsekretariat. Sie war als Sicherheitsexpertin unter anderem für die Zusammenarbeit mit Russland zuständig und im Amt, als Putin über Jahre ein Tabu nach dem anderen gebrochen hat: Als er unter anderem die Krim annektierte und den Krieg in der Ostukraine anfing.
Viele Nato-Mitglieder hätten damals Deutschland davon überzeugen wollen, zum Beispiel die Nord-Stream-2-Pipeline zu überdenken und sie als Sicherheitsrisiko zu sehen, sagt sie im BR-Podcast "Die Entscheidung": "Aber die Vertreter Deutschlands saßen bei den Treffen und haben immer nur das wiederholt, was ihnen in Berlin jemand aufgeschrieben hatte, nämlich: Nein."
Der Westen wollte Russland managen
Der Westen, sagt die Nato-Expertin, allen voran Deutschland, habe Putin über viele Jahre falsch eingeschätzt: "Wir haben sehr, sehr lange an der Vorstellung festgehalten, dass Putin zwar kein Demokrat ist, aus dem FSB [Inlandsgeheimdienst Russlands, Anm. d. Redaktion] kommt und das Land vor unseren Augen in ein autoritäres Regime verwandelt, dass wir Russland aber trotzdem managen können." Der Westen habe gedacht, er müsse nur lange genug Kooperationsangebote machen.
Das, so Stefanie Babst, sei falsch gewesen: "Russland hat militärische Gewalt immer als Mittel gesehen, seine politischen Ziele durchzusetzen." Das habe der Westen lange einfach ausgeblendet.
Es war wichtig, Putin Angebote zu machen
Ganz anders sieht das der ehemalige Sicherheitsberater von Angela Merkel und jetzige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. Es sei wichtig gewesen, mit Putin im Gespräch zu bleiben, sagt er: "Wir haben unsere Wirtschaft abhängig gemacht von Russland, weil wir Russland vertraut haben."
Russland, sagt er, sei immer ein zuverlässiger Lieferant von Energie gewesen. "Und deswegen war es so wichtig, alles zu versuchen, auf diplomatischem Weg weiterzukommen, sodass wir heute sagen können, dass wir Wladimir Putin goldene Brücken gebaut haben. Die er dann alle abgerissen hat."
Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als Signal an Putin
Zwei Experten, zwei Meinungen über die deutsche Russlandpolitik der Vergangenheit. Einig sind sich beide allerdings darin, dass die Ukraine jetzt starke Sicherheitsgarantien braucht, um weiter überleben zu können. Dass die Ukraine beim vergangenen Nato-Gipfel zum Beispiel wieder keine konkreten Beitrittsperspektiven für die Zeit nach dem Krieg bekommen hat, hält Stefanie Babst für ein fatales Signal. Vor allem konkrete Beitrittsgespräche über eine mögliche Mitgliedschaft der Ukraine bei der Nato wären in ihren Augen ein Signal, "eine strategische Botschaft, die Herr Putin verstehen würde".
Der nächstmögliche Zeitpunkt für solch eine "strategische Botschaft", wie sie Stefanie Babst fordert, ist klar: der kommende Nato-Gipfel Anfang Juli in Washington. Ob die Botschaft dann auch kommt, ist nicht sicher.
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