Aus Protest gegen die Migrationspolitik und die Parteiführung treten mehrere, teils führende Mitglieder aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus. BSW-Landeschef Klaus Ernst berichtete auf Anfrage, dass inzwischen sieben Mitglieder ihren Parteiaustritt erklärt hätten – darunter der Europaabgeordnete Friedrich Pürner. Zuerst hatte am Mittwochabend der "Spiegel" über Austritte berichtet.
"Minderheiten nicht gegen Minderheiten ausspielen"
In einem dem Magazin vorliegenden Statement kritisierten die sechs bayerischen Mitglieder vorwiegend die Migrationspolitik des BSW. Eine sachliche und humanistische Debatte über Fluchtursachen sei essenziell, zitiert der "Spiegel" aus dem Schreiben. Stattdessen erlebe man eine "populistische Zuspitzung, die unnötige gesellschaftliche Spaltungen fördert und Gefahr läuft, sich rhetorisch am rechten Rand zu bedienen". Minderheiten dürften nicht gegen Minderheiten ausgespielt werden.
Von den zehn Bundestagsabgeordneten des BSW hatten sieben zusammen mit Union, AfD und weiten Teilen der FDP für das sogenannte "Zustrombegrenzungsgesetz" votiert, drei gaben keine Stimme ab.
Pürner: "Wagenknecht ist die Partei entglitten"
Friedrich Pürner, seit Juni 2024 einer von sechs BSW-Abgeordneten im EU-Parlament, hatte schon in den vergangenen Wochen mehrfach öffentlich gesagt, dass er darüber nachdenke, die Partei zu verlassen. Er hatte dies insbesondere mit dem parteiinternen Umgang miteinander begründet. "Sahra Wagenknecht ist die Partei leider entglitten", so Pürner. Er erkenne "die Ziele und Visionen im Handeln vieler Mitglieder" nicht wieder, sagte Pürner der Zeitung "Welt am Sonntag". "Wenn die Menschlichkeit und Meinungsfreiheit hintangestellt werden, möchte ich dieser Partei nicht mehr angehören."
Pürner war einst als Leiter des Gesundheitsamtes im schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg bekanntgeworden, weil er während der Pandemie die Corona-Politik der bayerischen Staatsregierung kritisierte. In der Folge wurde Pürner auf einen anderen Posten versetzt.
Ilsanker: "Kein Kommentar"
Den Spiegel-Informationen zufolge soll auch Josef Ilsanker, Passauer Stadtrat und stellvertretender BSW-Landesvorsitzender, die Partei verlassen. Dem BR gegenüber äußerte er sich dazu allerdings nicht. "Ich kommentiere das vor der Wahl nicht", sagte er auf mehrere Nachfragen.
BSW-Spitze spricht von normalem Vorgang
Der BSW-Landeschef Klaus Ernst sieht in den Austritten einen "ganz normalen Vorgang", sagte er. Es sei bei einer jungen Partei üblich, dass es am Anfang solche Bewegungen gebe. Parteichefin Sahra Wagenknecht erklärte in der Münchner Abendzeitung, in allen Parteien gebe es Ein- und Austritte. "Dass es sechs Parteimitglieder mit ihrem Austritt in die bundesweite Berichterstattung schaffen, gibt es allerdings nur beim BSW."
Das erst im Januar gegründete BSW nimmt neue Mitglieder nur sehr restriktiv auf. In Bayern hat die Partei Ernst zufolge derzeit etwa 100 Mitglieder, rund 30 weitere wolle man in den nächsten Wochen aufnehmen. Bundesweit hat die Partei rund 1.100 Mitglieder. Zum Vergleich: Die Linke, von der sich das BSW abspaltete, hat über 70.000 Mitglieder.
Mit Informationen von AFP und dpa
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