Nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg will die Union in der kommenden Woche im Bundestag Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik einbringen – und in Kauf nehmen, dass es Mehrheiten mit der AfD geben könnte. "Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen", sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz in Berlin. Er fügte hinzu: "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt."
Merz verteidigt sich – Weidel jubelt: "Brandmauer gefallen!"
Der Unionskanzlerkandidat betonte: "Wir stimmen keinem einzigen AfD-Antrag zu, weil wir sämtliche Themen, die wir für richtig halten, von uns aus in den Bundestag einbringen." Merz ergänzte: "Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."
Seine Haltung zur AfD sei und bleibe klar, sagte Merz: "Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen." Dies bedeute erstens: "Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge." Dies gelte auch für das BSW von Sahra Wagenknecht. "Da wird sich gar nichts ändern."
AfD-Chefin Weidel schrieb am Freitag bei X: "Die Brandmauer ist gefallen!" CDU und CSU hätten ihr Angebot angenommen, "in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen." Das sei "eine gute Nachricht für unser Land".
SPD sieht "Dammbruch" – Grüne sehen Brandmauer in Gefahr
Bundeskanzler Olaf Scholz warnte Merz davor, Anträge mithilfe der AfD durchsetzen zu wollen. "Bislang hatte ich den Eindruck, dass man sich auf die Aussage des Oppositionsführers verlassen könne, auch nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten", sagte Scholz der Stuttgarter Zeitung. Der Kanzler forderte: "Die Brandmauer zur AfD darf nicht bröckeln."
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch nannte im "Spiegel" die Offenheit von Merz für eine mögliche Zustimmung der AfD ein "fatales Signal". "Hier würde sich eine schwarz-blaue Zusammenarbeit anbahnen, vor der wir immer gewarnt haben", sagte Miersch. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sprach von einem "Dammbruch", falls Merz mit der AfD zusammenarbeitet. "Er gibt auf, unter den Demokraten die Mehrheiten herbeizuführen", sagte Mast vor Journalisten. "Das ist der Freifahrtschein für die Zusammenarbeit mit der AfD."
Auch von den Grünen kamen Appelle an die Union, sich an die eigene Brandmauer zu halten. "Die Brandmauer darf weder heute, nächste Woche oder irgendwann fallen", schrieb Parteichefin Franziska Brantner auf X. Kanzlerkandidat Robert Habeck sagte dem "Spiegel", Merz habe selbst den Vorschlag gemacht, "auch in dieser Phase des Übergangs nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten". Er nehme "Merz beim Wort, dieses Wort darf nicht gebrochen werden". Doch Merz sei "kurz davor, das zu tun".
Merz: Keine Mehrheit von Union und AfD
Merz kritisierte, es werde von der AfD "der Eindruck erweckt, es gäbe irgendwo im Deutschen Bundestag eine Mehrheit zwischen AfD und uns". Der CDU-Chef fügte an: "Ich weiß nicht, können die Leute nicht rechnen oder wollen die uns hier bewusst hinter die Fichte führen? Es gibt keine Mehrheit im Deutschen Bundestag zwischen CDU, CSU und AfD." Es gebe auch keine Mehrheit von CDU, CSU, AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Es gebe keine andere Mehrheit im Bundestag als jene von SPD, Grünen und FDP oder von SPD und CDU, CSU oder von CDU, CSU, FDP und Grünen.
Was Merz nicht erwähnte, ist eine mögliche Mehrheit von Union, FDP, AfD und der Gruppe BSW – diese Konstellation käme im Bundestag auf 372 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 367 Stimmen.
Asylrechtsexpertin sieht Merz-Vorschläge kritisch
Derweil sieht die Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein, Gisela Seidler, die Vorschläge von Friedrich Merz kritisch. Sie sagte im Interview mit BR24, nach ihrer Einschätzung habe die Bundesregierung bereits beim zuletzt beschlossenen Sicherheitspaket die Grenzen des Europarechts überschritten. Die Streichung aller Sozialleistungen sei bereits in mehreren sozialgerichtlichen Entscheidungen gestoppt worden, da dies gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verstoßen habe. Seidler fordert stattdessen, das Aufenthaltsgesetz zu evaluieren, verständlicher zu machen und Überflüssiges zu streichen. Zudem müssten Personallücken bei den Ausländerbehörden gestopft werden.
Linken-Vorsitzender sieht keine Asylfrage nach Aschaffenburg
Der Co-Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, erklärte im Sender Phoenix, nach Ereignissen wie in Aschaffenburg dürfe es nicht um Abschiebungen gehen: "Das ist doch keine Asylfrage. Das ist doch eine Frage, wie gehen wir mit psychisch kranken Gewalttätern um." Statt Lösungen für den Umgang mit hochtraumatisierten Menschen aus Kriegsgebieten zu entwickeln, werde das Thema politisch ausgenutzt, "um gegen Ausländer zu hetzen".
Mit Informationen von dpa
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