Am Dienstag wählen die Menschen in den USA das Repräsentantenhaus und viele neue Senatoren. Von den Ergebnissen hängt ab, wie Präsident Joe Biden die kommenden beiden Jahre regieren kann - er selbst spricht von einem "entscheidenden Moment", andere von einer Schicksalswahl.
Das Interesse an der Wahl ist deshalb auch im Ausland groß - und wohl auch das Interesse, sie zu beeinflussen: Am Wochenende hatte die New York Times berichtet, Sicherheitsexperten hätten eine Reihe russischer Operationen beobachtet. Auftraggeber, so das Cybersecurityunternehmen "Recorded Future" in Somerville, Massachusetts: die Internet-Research Agency im russischen Sankt Petersburg. Sie wird auch für Falsch-Informationskampagnen bei den US-Wahlen 2016 und 2020 verantwortlich gemacht.
Gezielte Aktionen von russischen Troll-Armeen
Das Muster für die Desinformationskampagnen folgt den bekannten Beispielen aus der Vergangenheit: Eine Armee aus Trollen und Bots wird via Facebook, Twitter, Instagram und TikTok auf das US-Wahlvolk angesetzt. Meist geben sich die gefakten Social Media-Konten als wütende US-Bürgerinnen und Bürger aus.
Dieses Mal, so die Experten, seien die russischen Aktionen aber gezielter. Man wolle die Wut konservativer Wähler schüren, um so das Vertrauen in das amerikanische Wahlsystem zu untergraben. Außerdem gehe es darum, den breiten gesellschaftlichen Rückhalt für die Militärhilfe der Biden-Regierung zugunsten der Ukraine zu schwächen. 66 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner sprechen sich derzeit für eine Unterstützung der Ukraine aus. Im April hatte dieser Wert noch höher gelegen - bei 70 Prozent.
Russland versucht offenbar gezielt Republikaner zu unterstützen
Russland setzt bei seiner Kampagne nach Informationen aus US-Sicherheitskreisen auf die Partei von Donald Trump: Gezielt wird Wut und Hass über die demokratischen Kandidaten in den Wahlkreisen geschürt, in denen sich ein knappes Rennen abzeichnet. Etwa beim Kampf um die Senatssitze in Ohio, Arizona und Pennsylvania. Die russische Regierung scheint davon auszugehen, dass eine republikanische Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus den russischen Kriegsanstrengungen helfen könnte.
Zur Verunsicherung der Wähler trägt auch bei, dass in Bundesstaaten wie Arizona immer wieder bewaffnete Männer in Tarnkleidung vor Wahlurnen auftauchen, und behaupten, sie wollten nur die Richtigkeit der Wahl absichern. An 18 verschiedenen Orten in Arizona hat es diese Vorfälle gegeben. Ein Richter hat deshalb vergangene Woche angeordnet, dass im Umkreis von 75 Metern um eine Wahlurne niemand mehr eine Waffe tragen dürfe.
Trump befeuert Spekulationen um Präsidentschaftskandidatur
Bei seiner letzten Kundgebung vor den US-Zwischenwahlen hat Präsident Joe Biden erneut eindringlich an die Wählerinnen und Wähler appelliert, mit ihrer Stimmabgabe die Demokratie zu schützen. Die Demokratie sei in den Vereinigten Staaten in Gefahr, und dies sei der Moment, um sie zu "verteidigen", sagte Biden in einer Rede in der Stadt Bowie im Ostküstenstaat Maryland.
Kurz vor den Kongresswahlen in den USA hat Ex-Präsident Donald Trump erneut angedeutet, dass er wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Er werde am Dienstag kommender Woche eine "sehr große Ankündigung" machen, sagte Trump am Montag bei einer Wahlkundgebung. Seine Niederlage vor zwei Jahren gegen Biden hat Trump nie akzeptiert. Seine hartnäckige Falschbehauptung, er sei durch massive Manipulationen um eine zweite Amtszeit gebracht worden, wurde von großen Teilen seiner Republikanischen Partei übernommen.
Gegenseitiges Misstrauen von Demokraten und Republikanern
Die Desinformationskampagne durch Russland macht sich dabei das Misstrauen zunutze, das beide politischen Lager ohnehin gegeneinander hegen: Anhänger der Demokraten befürchten, dass die Republikaner die Macht an sich reißen wollen, egal, wie die Wahl ausgeht. Diese Angst geht auf die Wahllüge von Ex-Präsident Trump zurück, dass die Wahlen 2020 gefälscht worden seien.
Auf republikanischer Seite hingegen glaubt man der "Trumpschen" Wahllüge und meint, die Demokraten würden die Wahl manipulieren.
Cybersecurity Experte: "Mögliche Bedrohungen sind groß"
Der Cybersecurity Reporter Eric Geller des Online-Dienstes "Politico" sagt: "Bei den Zwischenwahlen gibt es eine Vielzahl von Bedrohungen. Sie reichen von gestohlenen Twitter-Konten bis zu gehackten Wahl-Websites, die Chaos, Verwirrung und Unruhen auslösen könnten, die noch lange nach Schließung der Wahllokale anhalten".
Geller warnt, es bestehe die Gefahr, dass Hacker in Wahlcomputer eindringen und versuchen, die Ergebnisse zu untergraben.
Russland bestätigt Einmischung - US-Regierung nicht überrascht
Da ist die Bestätigung durch Jewgeni Prigoschin quasi nur noch das Tüpfelchen auf dem "i". Der als "Putins Koch" und Chef der berüchtigten Söldnertruppe Wagner bekannte russische Unternehmer hat nach Jahren des Leugnens eingeräumt, störend auf Wahlen in den USA eingewirkt zu haben. "Wir haben uns eingemischt, wir mischen uns ein und wir werden weiter störend einwirken", erklärte der 61-Jährige am Montag. "Sorgfältig, präzise, chirurgisch und auf unsere Art."
Die US-Regierung zeigt sich wenig überrascht über das Bekenntnis der russischen Einflussnahme auf die bevorstehende Wahl. "Diese Kommentare sagen uns nichts Neues oder Überraschendes", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Montag zu Journalisten. "Es ist allgemein bekannt und öffentlich gut dokumentiert, dass Organisationen, die mit Jewgeni Prigoschin in Verbindung stehen, versucht haben, Wahlen auf der ganzen Welt - einschließlich der USA - zu beeinflussen", sagte Jean-Pierre.
Wenig beruhigend auf Politik, Medien und Wahlvolk ist hingegen, was die verantwortlichen Tech-Unternehmen sagen: Man habe Richtlinien verschärft und spezielle Abwehrprogramme aufgelegt, heißt es aus dem Silicon Valley.
Tech-Unternehmen tun offenbar noch immer zu wenig
Von Meta, dem Eigentümer von Facebook, Instagram und WhatsApp heißt es: "Wir haben in den letzten Jahren Hunderte von Wahlen auf unseren Plattformen miterlebt und wir haben aus jeder Wahl unsere Lehren gezogen, um unsere Vorbereitungen zu verbessern."
Kritiker sagen jedoch, die Vielzahl der derzeit verbreiteten Falschinformationen zeige, dass noch mehr getan werden müssen. Jon Lloyd, von der gemeinnützigen Organisation "Global Witness" in London nennt als Beispiel die chinesische Social-Media-Plattform "TikTok": Der Dienste versäume es regelmäßig, Falschinformationen zur Wahl von seiner Plattform zu entfernen. Das sei kein neues Problem, so Lloyd: "Die großen Social-Media-Plattformen tun immer noch nicht genug".
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