Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Dezember auf der Innenministerkonferenz in München.
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Nach Reichsbürger-Razzia: Faeser will Waffenrecht verschärfen

Nach Reichsbürger-Razzia: Faeser will Waffenrecht verschärfen

Nach der Großrazzia gegen die Reichsbürger-Szene kündigte Bundesinnenministerin Faeser eine Verschärfung des Waffenrechts an. Auch die Entlassung von Beamten soll schneller möglich sein. Denn die Zahl der Reichsbürger wächst weiter.

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Wenige Tage nach der Aufdeckung von Verschwörungsabsichten in der sogenannten Reichsbürger-Szene kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, das Waffenrecht reformieren zu wollen. Mehr als 1.000 Reichsbürgern seien ihre Waffengenehmigungen schon entzogen worden. Dafür sei der maximale Druck aller Behörden gebraucht worden. Die Regierung werde deshalb das Waffenrecht "in Kürze weiter verschärfen", sagte Faeser gegenüber der "Bild am Sonntag. Gleichzeitig betonte die Ministerin in Hinblick auf die Razzia, man dürfe die Szene nicht verharmlosen: "Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen."

  • Zum Artikel: "Festgenommene Reichsbürger: Handwerker und Ex-Soldaten"

Rund 500 Reichsbürger haben eine Waffengenehmigung

Seitdem ein Reichsbürger im mittelfränkischen Georgensgmünd 2016 einen Polizisten getötet hat, bemühen sich die Behörden verstärkt, Angehörige der Szene zu entwaffnen. Neben den über 1.000 entzogenen waffenrechtlichen Erlaubnissen besaßen Ende 2021 noch rund 500 Reichsbürger eine Waffengenehmigung.

"Trotz der Reformen der letzten Jahre kommen Verfassungsfeinde zu leicht an legale Waffen", findet der Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundetages, Marcel Emmerich. Eine schnelle Überarbeitung des Waffenrechts mit einer Vereinfachung der komplexen Verfahren sei dringend erforderlich. "Hierfür braucht es das Prinzip der Regelversagung. Das heißt, alle Personen, die dem Verfassungsschutz als Extremisten bekannt sind, dürfen per se keine waffenrechtliche Erlaubnis erhalten."

FDP-Vize: Keine Verschärfung, sondern mehr Personal notwendig

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle wies hingegen daraufhin, der Staat dürfe sich beim Kampf gegen Verfassungsfeinde nicht verzetteln. Man dürfe sich nicht gegen rechtstreue Sportschützen und Jäger wenden, die zur "Mitte der Gesellschaft" zählten. "Einer Verschärfung des Waffenrechts, um Reichsbürger zu entwaffnen, bedarf es nicht", so Kuhle. Vielmehr fehle es in den Waffenbehörden an Personal. Die Verantwortlichen müssten zudem geschult werden, um Reichsbürger auch als solche zu erkennen.

Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte bereits in seiner Amtszeit versucht, eine Meldepflicht einzuführen, die verhindert, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Waffen besitzen. Jedoch bekam Seehofer für eine Gesetzesänderung vor zwei Jahren aus dem Parlament nicht genügend Rückendeckung. Auslöser für die Debatte war damals der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau. Der rechtsextremistische Attentäter litt unter Wahnvorstellungen. Dennoch besaß der Sportschütze eine waffenrechtliche Erlaubnis.

Beamtenverhältnis soll schneller gekündigt werden können

Neben dem Waffenrecht will Innenministerin Faeser auch neue Regeln einführen, um die Entlassung von Extremisten aus dem Beamtenverhältnis beschleunigen zu können. Hintergrund sind die bisher teilweise jahrelangen Verfahren vor Verwaltungsgerichten, in denen Beschuldigten die Bezüge weiter gewährt werden müssen.

Dafür soll noch vor Jahresende ein Entwurf für ein Gesetz zur Abstimmung den anderen Ressorts der Bundesregierung vorgelegt werden. Unter anderem soll der jeweilige Dienstherr mehr direkte Handlungsmöglichkeiten bekommen. Auch der Straftatbestand der Volksverhetzung soll künftig in die Liste der Gründe für die Beendigung des Beamtenverhältnisses aufgenommen werden. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung soll dann bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust des Beamtenstatus führen - nicht erst wie bisher bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Herrmann: Reichsbürger werben im Sicherheitsbereich

Unter den Festgenommenen bei der Razzia am vergangenen Mittwoch waren auch Beamte und Angestellte von Bundesbehörden. Durchsuchungen gab es außerdem im Haus und im Dienstzimmer eines Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr sowie bei mehreren Reservisten der Bundeswehr. Dennoch sei ein Generalverdacht gegen Angehörige der Streitkräfte und Sicherheitsbehörden unangebracht, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, der "Rheinischen Post". Notwendig sei aber ein "viel konsequenteres Durchgreifen" gegen Menschen wie einen der Festgenommenen. Der Ex-Offizier sei bekannt für seine Einstellungen, gegen ihn gebe es Strafverfahren, "und trotzdem läuft er weiterhin in Uniform durchs Land und verbreitet seine kruden Theorien und dies bei vollen Pensionsbezügen".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im Interview bei Bayern 2, es sei bekannt, dass die Reichsbürgerbewegung im Sicherheitsbereich für sich werbe. Auch in seinem Bundesland habe es bereits Fälle gegeben, bei denen Anhänger der Reichsbürgerideologie aus dem Polizeidienst entfernt worden seien. Es sei zudem wichtig, dass jeder einzelne Bürger und jede Behörde vom Finanz- bis zum Landratsamt "Reichsbürgeraktivitäten" meldeten.

Zahl der Reichsbürger stark angestiegen

Befeuert durch die Corona-Proteste ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger seit Jahresbeginn erneut stark angestiegen. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser zählt der Verfassungsschutz inzwischen 23.000 Menschen zum Spektrum der Reichsbürger - dies mache einen Anstieg um rund 2.000 Menschen im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19.000 Menschen zu. Zehn Prozent der Reichsbürger gelten zudem als gewaltbereit - 2021 wurden demnach 239 Gewalttaten registriert.

Mit Material der dpa, AFP und Reuters.

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