Die Europawahl liegt jetzt schon Wochen zurück. Doch die Nachwehen sind immer noch spürbar bei der SPD. Die Kanzler-Partei erreichte 13,9 Prozent - und wurde damit hinter Sieger Union und der zweitplatzierten AfD nur drittstärkste Kraft. Beim "Sonntagsstammtisch" im BR Fernsehen wurde nun noch einmal im Gespräch mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nachgehakt, woran es denn gelegen haben könnte – auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst oder auch die Bundestagswahlen im kommenden Jahr.
Münch kritisiert Plakatauswahl der SPD
Als einen Grund des historisch schlechten Wahlausgangs nannte Kühnert die Kampagne und deren politische Inhalte sowie die organisatorischen Abläufe dahinter. Die letzte Zeit habe er deshalb intensiv in die Wahlauswertung gesteckt, um die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl optimal zu nutzen, damit die Partei wieder eine Position einnehme, mit der sie eine bundesweite Wahl gewinnen könne. "Meine Partei darf von mir erwarten, dass ich ein Konzept aufbiete, wie uns das auch wieder gelingt", verkündete Kühnert.
Politikwissenschaftlerin Ursula Münch kommentiert kritisch, dass die SPD vor allem mit Kanzler Olaf Scholz auf den Plakaten geworben habe. Laut Kühnert sei dies trotz der negativen Umfragewerte des Kanzlers eine ganz bewusste Entscheidung gewesen, denn "ich wollte nicht, dass am Ende des Wahlkampfes die Frage ist, ob uns der Bundeskanzler eigentlich peinlich ist."
Welche Lehren zieht die SPD aus der Wahlniederlage?
Kopfzerbrechen bereite Kühnert vor allem die Abwanderung der SPD-Wähler ins Nichtwählerlager, da dies zeige, dass Wählerinnen und Wähler sozialdemokratische Politik wollten, aber das Gefühl hätten, dass ihre politisch gewählte "Bestellung" nicht in ihrer Alltagsrealität ankomme. Deshalb müsse die arbeitende Mitte künftig deutlich stärker im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stehen, es reiche nicht nur vorangetriebene Sozialleistungen aufzuzählen.
"Müssen Leute in die Arbeit kriegen"
Im Wahlkampf habe die SPD bei Debatten rund um das Bürgergeld und Migration großen gesellschaftlichen Unmut gespürt. Vor allem sogenannte Arbeits-Vollverweigerer seien laut Kühnert Gegenstand ganz vieler Stammtischdiskussionen, da "es an unserem Gerechtigkeitsgefühl kratzt", wenn es Leute gäbe, die auf unser aller Kosten nichts machten. In diesem Zusammenhang bemängelte Schauspielerin Uschi Glas die zu geringe Differenz zwischen Arbeitslohn und Bürgergeld.
Auch hier wolle die Partei Lehren aus dem Wahlergebnis ziehen und immer mehr Leute "in die Arbeit kriegen", räumte Kühnert selbstkritisch ein. Auch im Rahmen der Haushaltseinigung seien Reformen sowie verschärfte Sanktionsmaßnahmen beim Bürgergeld geplant. Zudem solle die Erwerbstätigkeitsquote bei Ukrainerinnen und Ukrainern deutlich angehoben werden.
"Politik ist kein Pizza-Lieferservice"
Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg seien viele verlässliche demokratische Kräfte nötig, so Kühnert. Es komme nun vor allem darauf an, dass die Demokraten in der Lage seien, miteinander zu reden, das hätte auch die Wahl in Thüringen vor fünf Jahren gezeigt.
Auf die Frage von Ursula Münch, warum die SPD ihre Rolle als Kümmerer in Ostdeutschland nicht mehr einnehme, entgegnete Kühnert angelehnt an Friedrich Ebert, dass Demokratie auch Demokraten brauche. Man müsse den Leuten auch immer wieder vor Augen halten, dass Politik kein Pizza-Lieferservice sei, "bei dem man was bestellt, sondern man muss sich auch fragen, was bringe ich eigentlich mit ein?". Mit Blick auf die politischen Entwicklungen in unseren Nachbarländern, sei es nötiger denn je, dass Deutschland unabdingbarer Stabilitätsanker in Europa ist.
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