Bundeswehrpanzer bei einer Übung
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Nato billigt Pläne für möglichen Abwehrkrieg gegen Russland

Nato billigt Pläne für möglichen Abwehrkrieg gegen Russland

Die Nato hat sich Insidern zufolge einen Tag vor Beginn ihres Gipfels in Litauen auf neue Abwehrpläne geeinigt. Darin wird geregelt, wie das Verteidigungsbündnis auf einen russischen Angriff reagieren würde.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Nato-Staaten haben sich auf neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet verständigt. Die Annahme der Dokumente erfolgte am Montag, einen Tag vor dem Beginn des Gipfeltreffens in Litauen, in einem schriftlichen Verfahren, wie die Deutsche Presse-Agentur und Reuters von mehreren Diplomaten erfuhren. Die Entscheidung soll an diesem Dienstag von den Staats- und Regierungschefs noch einmal bestätigt und dann offiziell verkündet werden.

Verteidigungspläne umfassen 4.000 Seiten

Die insgesamt mehr als 4.000 Seiten starken Verteidigungspläne beschreiben demnach detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft-, und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen. "Das ist eine unmittelbare Konsequenz aus Putins Angriff auf die Ukraine", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius zuletzt in Brüssel zu den Arbeiten an den neuen Plänen. Es sei das erste Mal seit Jahrzehnten, dass es wieder neue Pläne gebe.

Jahrzehnte sah die Nato keine Notwendigkeit für größer angelegte Verteidigungspläne, da sie Russland nach dem Ende des Kalten Krieges offenbar nicht als existenzielle Gefahr einstufte. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine wurde jedoch darauf gedrungen, alle Verteidigungspläne zu überarbeiten. Eine Einigung wurde bislang von der Türkei wegen Formulierungen zu Geografika wie Zypern jedoch blockiert.

Doppelaufgabe für Deutschland

Deutschland weisen die Pläne nach Angaben von Pistorius eine Doppelaufgabe zu. Zum einen werde man wie schon zu Zeiten des Kalten Krieges aufgrund der geografischen Lage die logistische Drehscheibe für die Verlegung von Truppenverbänden und Material sein, erklärte er. Zum anderen werde man Verantwortung für die Ostflanke übernehmen und dort für mehr Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit sorgen.

So wie die alte Bundesrepublik vor 1989 in der exponierten Lage an der Ostflanke gewesen sei, seien dies nun die baltischen Staaten, sagte Pistorius. Wichtig sei, dass nun auch sie darauf vertrauen könnten, dass die Alliierten ihre Freiheit und Sicherheit im Ernstfall verteidigten.

Auch Angriffe von Terrorgruppen sind Thema

Neben möglichen Angriffen durch Russland sind auch Bedrohungen durch Terrorgruppen Grundlage der Planungen. Hintergrund sind die Erfahrungen mit Anschlägen des Terrornetzwerks Al-Kaida auf die USA am 11. September 2001, aber auch der Druck von Ländern wie der Türkei, die es vor allem immer wieder mit Terrorakten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu hat.

Dass die Nato jetzt so viele Veränderungen vornehmen muss, hat vor allem damit zu tun, dass nach dem Ende des Kalten Krieges der Fokus von der Bündnisverteidigung auf Krisenmanagement verschoben wurde. Dabei ging es vor allem darum, auf Einsätze auf dem Balkan oder im Nahen Osten gut vorbereitet zu sein.

Neue Streitkräftestruktur

Umgesetzt werden sollen die Pläne unter anderem mit Hilfe einer neuen Streitkräftestruktur. So hatte Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits beim Nato-Gipfel im vergangenen Jahr angekündigt, dass künftig 300.000 Soldatinnen und Soldaten für mögliche Nato-Einsätze in hoher Bereitschaft gehalten werden sollten. Bislang war bei der Nato für schnelle Kriseneinsätze vor allem die Eingreiftruppe NRF vorgesehen. Für diese stellen die Mitgliedstaaten derzeit circa 40.000 Soldatinnen und Soldaten.

Deutschland hatte sich bereits im vergangenen Jahr bereit erklärt, für die neue Nato-Truppenstruktur eine Division - also rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten - zu stellen. Darüber hinaus wurden etwa 65 Flugzeuge und 20 Schiffe sowie Unterstützungskräfte und weitere Verbände mit besonderen Aufgaben in Aussicht gestellt.

Mehr Abschreckung durch Präsenz

Die neuen Verteidigungsplanungen sehen vor, dass die Verbände in der Regel in ihren jeweiligen Heimatländern stationiert bleiben, aber bestimmten Ländern und Territorien zugewiesen werden - zum Beispiel an der Nato-Ostflanke. Wenn nötig, werden die Kräfte in ihr jeweiliges Gebiet verlegt, um dort für dessen Schutz zu sorgen. In besonders gefährdeten Regionen ist zudem deutlich mehr Abschreckung durch ständige Präsenz geplant. Deshalb will Deutschland auch rund 4.000 Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren.

Nato-Gebiet in drei Regionen eingeteilt

Geografisch wurde das Nato-Gebiet für die Planungen in drei Regionen eingeteilt: Die erste erstreckt sich von den USA über den Atlantik bis nach Island, Großbritannien und Norwegen. Die zweite umfasst Europa nördlich der Alpen mit Deutschland, Polen, Mittelosteuropa und einschließlich der baltischen Staaten. Und die dritte zieht sich über den Mittelmeerraum und den Balkan bis hin in die Schwarzmeer-Regionen mit Ländern wie Rumänien und Bulgarien.

Nach Angaben aus dem Bündnis geht es bei den Planungen vor allem um die Abwehr eines Angriffes im Ausmaß von dem auf die Ukraine. Dabei wurden auch etliche Bereiche identifiziert, in denen Europa nun mehr tun muss. Den Militärs zufolge braucht es so mehr schwere Kräfte, die auch heftigen Kämpfen standhalten können, mehr Flugabwehrsysteme und mehr weitreichende Artillerie und Raketensysteme. Zudem seien auch Investitionen in Informations- und Datenmanagementsysteme sowie in die Logistik vonnöten.

Höhere Militärausgaben angepeilt

Unter anderem zur Finanzierung der Vorgaben soll das Ziel für militärische Ausgaben auf dem Spitzentreffen am Dienstag und Mittwoch in Vilnius angehoben werden. Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung soll nunmehr das Mindestmaß für militärische Ausgaben sein. Die Umsetzung der Pläne dürfte Nato-Vertretern einige Jahre in Anspruch nehmen,

"Wir haben erkannt, dass wir tatsächlich wieder mit einer Artikel-5-Situation konfrontiert sein könnten, in der ein Teil des Nato-Territoriums direkt angegriffen wird", sagte ein ranghoher Nato-Beamter der dpa. Und der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass es sich dabei auch um einen Angriff erheblichen Ausmaßes handeln könnte, mit dem Ziel, die Kontrolle über einen Teil des Nato-Territoriums zu erlangen.

💡Nordatlantikvertrag, Artikel 5

Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffes jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechtes der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, […]

Selenskyj kommt als Gast nach Litauen

Bei dem Treffen in Vilnius wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Gast erwartet. Für die von Selenskyj geforderte Beitrittseinladung an die Ukraine gibt es bisher keinen Konsens im Militärbündnis. Die USA und die Bundesregierung halten dies für verfrüht, solange der Krieg anhält. Als Zeichen der Annäherung soll ein neuer Nato-Ukraine-Rat ins Leben gerufen werden, der mit Selenskyj zum ersten Mal tagen soll. Zudem werden weitere militärische und Sicherheitszusagen von Nato-Ländern erwartet.

Erdoğan macht Weg für Schwedens Nato-Beitritt frei

Am Vorabend des Gipfels gab die Türkei ihren Widerstand gegen einen Nato-Beitritt Schwedens auf. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe zugestimmt, das schwedische Gesuch an das Parlament weiterzuleiten, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Damit vollzog die Türkei eine Kehrtwende. Kurz zuvor hatte Erdoğan eine neue Hürde für die Zustimmung einer Nato-Aufnahme Schwedens gesetzt, indem er eine Annäherung seines Landes an die EU forderte. Die Türkei blockierte bisher die Aufnahme Schwedens in die Nato, weil das Nordland nach Auffassung der Regierung in Ankara nicht ausreichend im Kampf gegen kurdische Extremisten kooperiere. Am Montag hatte Stoltenberg nun einen letzten Vermittlungsversuch vor dem Gipfel unternommen. Schweden war über lange Zeit militärisch neutral. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine änderte sich das aber und das Land beantragte ebenso wie Finnland die Mitgliedschaft in der Nato.

Wann das türkische Parlament den Beitritt Schwedens zur Nato ratifiziert, sagte Stoltenberg nicht. Erdogan habe zugesagt, es so schnell wie möglich zu tun. Für eine Mitgliedschaft ist die Zustimmung aller Nato-Länder notwendig. Finnland konnte im April beitreten. Das Gesuch Schwedens wurde aber von der Türkei und Ungarn blockiert. Der Stabschef des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hatte bereits am Donnerstag erklärt, sein Land werde den Weg für Schweden nicht länger verstellen.

Erdoğan fordert Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche

Erdoğan hatte vor seiner Abreise nach Vilnius noch überraschend eine neue Forderung aufgestellt. Er machte die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zur Bedingung für seine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens. "Öffnet erst den Weg für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, und dann öffnen wir den Weg für Schweden", sagte Erdoğan.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die EU-Kommission reagierten zurückhaltend auf die Forderung und verwiesen darauf, dass die beiden Themen nicht zusammenhängen. Die EU hatte die 2005 gestarteten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Ende 2016 auf Eis gelegt. Hintergrund waren die Massenverhaftungen türkischer Regierungskritiker nach dem gescheiterten Militärputsch gegen Präsident Erdogan im Juli 2016.

Mit Informationen von dpa, Reuters, AFP.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan
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Erdoğan berät mit Schwedens Regierungschef über Beitrittsfrage

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