Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will heute seine Pläne für den neuen Wehrdienst vorstellen. Wie die Deutsche Presse-Agentur vorab erfuhr, will der Politiker für ein neues Wehrdienstmodell die vor 13 Jahren ausgesetzte Erfassung von Wehrfähigen wieder aufbauen. Das Modell sieht vor, dass künftig alle 18-jährigen Männer und Frauen angeschrieben werden sollen, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf den Verteidigungsausschuss berichtete. In einem Fragebogen sollen die jungen Menschen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst geben. Männer seien verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen und zurückzuschicken, bei Frauen sei dies freiwillig.
Zuvor hatte bereits der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, entschlossene Schritte gefordert. Die Personalzahlen in der Bundeswehr seien in diesem Monat auf den tiefsten Stand seit 2018 gefallen, sagte der Oberst der dpa. Er hoffe, dass Pistorius bei der für Mittwoch angekündigten Präsentation seines Wehrdienst-Modells bei geplanten Pflichtanteilen bleibe. "Mit Freiwilligkeit allein wird es nach meiner Auffassung nicht funktionieren", sagte Wüstner.
Derzeit liegt die Zahl der aktiven Soldaten um mehr als 20.000 unter dem schon vor dem Ukraine-Krieg angestrebten Ziel von 203.000. "In den kommenden Tagen wird sich zeigen, bei wem seit Ausrufung der Zeitenwende zumindest verteidigungspolitisch tatsächlich eine Erkenntniswende eingetreten ist", sagte Wüstner.
Im Video: Verteidigungsminister Pistorius stellt den Entwurf des neuen Wehrdienstmodells vor
Pistorius: Deutschland muss "kriegstüchtig" werden
Pistorius will den Verteidigungsausschuss über seine Pläne informieren und diese nachmittags der Öffentlichkeit erläutern. Er hat – auch unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – verschiedene Modelle einer Dienstpflicht prüfen lassen. Berichten zufolge sollen alle 18-Jährigen angeschrieben werden, um einen Fragebogen auszufüllen. Wer dabei Interesse an der Bundeswehr bekundet, könnte zur Musterung verpflichtet werden. Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag ließ der Minister durchblicken, dass er beim Wehrdienst nicht auf komplette Freiwilligkeit setzt. Wiederholt betonte er, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden, um zusammen mit den Nato-Verbündeten glaubhaft abschrecken zu können.
Im Video: Was denken BR Schülerinnen und Schüler über einen Dienst an der Waffe?
Esken will auf Freiwilligkeit setzen
In der Koalition gelten die Pläne aber als umstritten: Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken setzt auf Freiwilligkeit. "Für mich ist das Erleben von Selbstbestimmung ganz entscheidend für die Akzeptanz der Demokratie", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Freiwilligkeit "ist auch in Bezug auf ein Engagement bei der Bundeswehr und der damit einhergehenden großen Verantwortung für die Sicherheit Deutschlands das richtige Prinzip".
Nach Angaben des SPD-Verteidigungsexperten Andreas Schwarz wird ein Schwerpunkt "auf die Erfassung von wehrfähigen Personen gelegt, die die Grundlage für einen stetigen Aufwuchs der Truppe legen soll". Damit verbunden seien zusätzliche Investitionen in Kasernen, Ausrüstung und Ausbildung, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). "Sollte das Prinzip der Freiwilligkeit nicht funktionieren, muss in Anbetracht der Bedrohungslage auch über weitere verpflichtende Elemente diskutiert werden."
Warum es keine Wehrpflicht mehr gibt
Die Wehrpflicht war in Deutschland nach 55 Jahren 2011 ausgesetzt worden. Das kam in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich. Gleichzeitig wurden praktisch alle nötigen Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Gesetzlich festgelegt ist aber weiter, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auflebt.
Mit Informationen von dpa und AFP
Zum Video: Unionsfraktionsvize Wadephul zur Wehrpflicht-Debatte
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