Nancy Faeser (SPD) scheint gerade zu gelingen, wovon Robert Habeck (Grüne) nur träumen kann: einen Haken setzen unter einen weitreichenden Gesetzentwurf. Während dem Wirtschaftsminister noch ein langer Kampf um sein Gebäudeenergiegesetz bevorsteht, in dem ihm der liberale Koalitionspartner noch zahlreiche Kompromisse abringen dürfte, hat die Innenministerin die FDP geräuschlos ins Boot geholt und steht nun kurz vor einer Einigung auf eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.
Nach drei Jahren den deutschen Pass
Nach Faesers jüngstem Entwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, sollen vor allem Ausländerinnen und Ausländer, die schon einige Jahre in Deutschland leben, schneller die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Dem Innenministerium zufolge leben aktuell insgesamt 10,7 Millionen Menschen mit einem ausländischen Pass in Deutschland. Mehr als die Hälfte davon wäre von dem neuen Gesetz betroffen. Denn die Wartezeit soll von bisher acht auf fünf Jahre sinken. Bei "besonderen Integrationsleistungen" wie guten Sprachkenntnissen, ehrenamtlichem Engagement oder sehr guten Leistungen im Job werde eine Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich.
Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage muss die bisherige Staatsangehörigkeit nicht mehr aufgegeben werden. Faeser spricht in diesem Zusammenhang von einem "Paradigmenwechsel", weil Zugewanderte mit der Reform nicht mehr gezwungen würden, "einen Teil ihrer Identität aufzugeben", so die Ministerin gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ).
Kein deutscher Pass bei Hass und Hetze
An einigen Stellen hat das Innenministerium im Vergleich zum ersten Entwurf Veränderungen vorgenommen, nach Kritik vor allem aus der FDP. In der neuen Fassung ist klarer geregelt, dass bestimmte Straftaten eine Einbürgerung ausschließen. Dazu gehören etwa "antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen". "Da gibt es keinerlei Toleranz", betonte Ministerin Faeser gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wer unsere Werte nicht teilt, kann nicht Deutscher werden."
Lebensunterhalt selbst bestreiten
Wichtig waren den Liberalen auch wirtschaftliche Aspekte. Einen deutschen Pass soll nur erhalten, wer keine Sozialleistungen bekommt – eine Ausnahme gibt es nur für Menschen, die unverschuldet ihren Job verloren haben. Im Regelfall muss der oder die Betroffene nicht nur seinen oder ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, sondern – auch das eine Veränderung gegenüber dem ersten Entwurf – zusätzlich den Lebensunterhalt für die ganze Familie aufkommen können. Justizminister Buschmann, der für die FDP an den Verhandlungen beteiligt war, twitterte zufrieden: "Wir machen Einbürgerung für Menschen leichter, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben (…) Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Nicht in den Sozialstaat."
Eine Lösung gegen den Fachkräftemangel?
Einwanderung in den Arbeitsmarkt – das ist die Hoffnung. Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz vor allem dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Deutschland für qualifizierte Zuwanderer attraktiver machen. Schon heute suchen die Betriebe händeringend nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern, auch in Bayern. Laut IHK München und Oberbayern fehlten im vergangenen Jahr im Freistaat rund 233.000 Arbeitskräfte – und die Arbeitsmarktsituation dürfte sich bis 2035 branchenübergreifend weiter verschärfen. Bis dann werden laut IHK über eine Million Stellen unbesetzt bleiben. Daher kommt auch aus Bayern die Forderung nach mehr Zuwanderung. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) etwa forderte im Januar einen "vereinfachten Zuzug von Arbeitskräften aus Drittstaaten".
CSU: Staatsbürgerschaft kein Mittel zum Zweck
Dies müsse aber nicht mit der deutschen Staatsbürgerschaft einhergehen. Das machte die Union heute noch einmal deutlich. Der CSU-Innenexperte im Bundestag, Volker Ullrich, sagte im BR-Interview, die deutsche Staatsbürgerschaft dürfe erst "am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen" und dürfe kein Mittel sein, "um Integration zu beschleunigen". Dass es in bestimmten Fällen nun schon nach drei Jahren einen deutschen Pass geben könnte, hält Ulrich für falsch. Drei Jahre seien nicht genug, um die deutsche Sprache zu beherrschen. "Die bisherige Regelung ist im weltweiten Vergleich bereits liberal. Ich sehe hier keinen Änderungsbedarf", bilanziert Ullrich.
Mehrstufiges Migrationspaket
Die geplanten Änderungen, die noch vor der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden sollen, sind Bestandteil eines zweiten Migrationspakets. In einem ersten Paket hatte der Bundestag im Dezember das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht für langjährig Geduldete beschlossen. Zudem sollen Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen, das Angebot an Integrationskursen verbessert und Straftäter konsequenter abgeschoben werden können.
Im Video: Ampel steht kurz vor Reform des Staatsangehörigkeitsrechts
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