BR24 liegt eine Strafanzeige vor, die die beiden Landtagsabgeordneten Toni Schuberl und Matthias Fischbach gestellt haben. Schuberl war Vorsitzender des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag, Fischbach vertrat die FDP in dem Ausschuss, der von Mai 2022 bis Juni 2023 die Verbindungen des NSU nach Bayern untersuchte.
Die Strafanzeige richtet sich gegen Matthias D. Er gehörte zum engsten Kreis um das Terrortrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. So mietete er für die drei mehrfach konspirative Wohnungen in Zwickau an, darunter auch die Wohnung in der Frühlingsstraße, die dem NSU jahrelang als Rückzugsort diente. Dass die Terroristen von Zwickau aus loszogen, um in ganz Deutschland rassistische Morde und Bombenanschläge zu verüben, will Matthias D. nicht gewusst haben.
Zschäpe widerspricht den Angaben von Matthias D.
So schilderte es Matthias D. auch vor zwei Jahren bei seiner Zeugenaussage im NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Auf die Frage der Abgeordneten, wann er denn das Terrortrio zum letzten Mal getroffen habe, erklärte Matthias D., das müsse Wochen, wenn nicht gar Monate vor der sogenannten Selbstenttarnung des NSU gewesen sein.
Die verurteilte Terroristin Beate Zschäpe hat gegenüber dem Bundeskriminalamt allerdings etwas anderes erzählt, wie jüngst das Magazin "Der Spiegel" berichtete, das offenbar die Vernehmungsprotokolle des BKA einsehen konnte. Zschäpe hat demnach ausgesagt, dass sie Matthias D. noch am Tag der Selbstenttarnung des NSU persönlich getroffen hat. Das war am 4. November 2011.
Zschäpe: Bei der Todesnachricht Gesichtszüge "komplett entglitten"
An diesem Tag erschossen sich die beiden NSU-Killer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem Banküberfall in Eisenach in ihrem Wohnmobil – weil sie von der Polizei entdeckt worden waren. Ihre Mitverschwörerin Beate Zschäpe setzte kurz darauf die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand, um Spuren zu verwischen.
Danach ließ sich Zschäpe von dem NSU-Unterstützer André E. mit dem Auto abholen. Wie Zschäpe dem BKA geschildert haben soll, trafen sich beide anschließend mit Matthias D. und informierten ihn über den Tod der beiden Uwes. Angesichts dieser Nachricht seien Matthias D. die Gesichtszüge "komplett entglitten" – so Zschäpe laut "Spiegel".
Zwei Landtagsabgeordnete stellen Strafanzeige gegen den Zeugen
Wenn diese Schilderung Zschäpes stimmt, dann hat Matthias D. im NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags gelogen. So sieht das jedenfalls der ehemalige Ausschuss-Vorsitzende Toni Schuberl von den Grünen. Gemeinsam mit dem FDP-Abgeordneten Matthias Fischbach hat Schuberl deshalb Strafanzeige gegen Matthias D. bei der Staatsanwaltschaft München 1 gestellt.
Es sei höchst unwahrscheinlich, dass Matthias D. einen so emotionalen Moment einfach vergessen habe, so Schuberl und Fischbach. Es liege der Anfangsverdacht einer uneidlichen Falschaussage vor. Es sei zu vermuten, dass Matthias D. das Treffen mit Zschäpe bewusst verschwiegen habe. "Von einem Ermittlungsverfahren gegen Matthias D. erhoffen wir uns neue Erkenntnisse zum Unterstützerumfeld des NSU, auch die Aufklärung seiner eigenen Rolle und vor allem auch eine strafrechtliche Verfolgung seiner Unterstützung dieses Terrortrios", sagte Schuberl BR24.
Waren die NSU-Terroristen für D. nur "Max", "Gerry" und "Liese"?
Denn bislang ist Matthias D. im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex nicht juristisch belangt worden. Die Bundesanwaltschaft stellte ein Ermittlungsverfahren gegen ihn 2022 nach über zehn Jahren ein. Dabei hatte Matthias D. nicht nur die konspirative Wohnung angemietet, die der NSU zu einer regelrechten Festung samt Videoüberwachung, Waffenkammer und Archiv ausgebaut hatte. Matthias D. hatte dort nach eigener Aussage auch mehrmals übernachtet. Dennoch will er weder über die Terroranschläge des NSU noch über die wahre Identität der Terroristen Bescheid gewusst haben. Er habe Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nur als "Max", "Gerry" und "Liese" gekannt.
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