Das Landgericht Wien hat den früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilt. Es sah es als erwiesen an, dass der 37-Jährige vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gelogen hat. Kurz wurde wegen Falschaussage zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Das Landgericht Wien sah es in seinem Urteil am Freitag als erwiesen an, dass Kurz, ehemals Politiker der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), bei der Bestellung des Aufsichtsrats der Staatsholding Öbag einen größeren Einfluss ausgeübt hatte, als er vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss eingeräumt hatte.
Kurz: Urteil "nicht gerecht"
Kurz bezeichnete seine erstinstanzliche Verurteilung wegen Falschaussage als ungerecht. "Es hat mich sehr überrascht. Ich finde es auch nicht gerecht", sagte er am Freitagabend im Wiener Landgericht. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir in einer zweiten Instanz recht bekommen", so Kurz. Seine Verteidiger hatten zuvor Berufung gegen das Urteil angekündigt.
Umstrittene Rolle bei Vergabe von Vorstandsposten
Der Prozess hatte im Oktober unter großem Medieninteresse begonnen. Bei dem Verfahren ging es um Aussagen von Kurz vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments im Juni 2020, als er seine Rolle bei der Vergabe von Vorstandsposten bei der Staatsholding Öbag beschrieb. Kurz hatte erklärt, er sei über die Postenbesetzung von Öbag-Chef Thomas Schmid informiert, aber in die Vorgänge nicht involviert gewesen. Zuständig für die Besetzung der Posten bei der Holding, die unter anderem am Öl- und Gaskonzern OMV, dem Stromerzeuger Verbund und der Telekom Austria beteiligt ist, war der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Kurz hatte den Vorwurf, er habe die Entscheidung maßgeblich beeinflusst, stets zurückgewiesen. Schmid war allerdings als Kronzeuge aufgetreten und Chat-Nachrichten mit ihm hatten Kurz belastet.
2021: Rücktritt wegen Korruptions-Vorwürfen
Kurz war 2021 wegen Korruptions-Vorwürfen als Kanzler zurückgetreten. Nach seinem Rücktritt und seinem grundsätzlichen Abschied aus der Politik Ende 2021 ist er inzwischen als Unternehmer tätig. Er hatte stets seine Unschuld betont.
Kurz stand von 2017 bis 2019 an der Spitze eine Koalition der ÖVP mit der rechten FPÖ. Von 2020 bis 2021 leitete er ein Bündnis von ÖVP und Grünen. Im Zusammenhang mit der 2019 aufgeflogenen Ibiza-Affäre rund um Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache setzte das Parlament einen Untersuchungsausschuss zur "mutmaßlichen Käuflichkeit der schwarz-blauen Regierung" ein. Das Gremium sollte dem Verdacht der Korruption und der Vetternwirtschaft zu Zeiten der ÖVP-FPÖ-Koalition nachspüren.
Kurz droht weiteres Verfahren
Abgesehen vom aktuellen Prozess droht dem Ex-Kanzler noch ein zweites Verfahren. In der sogenannten Inseraten-Affäre sollen der damalige Regierungschef und sein Team mit Steuergeld gefälschte Umfragen in Auftrag gegeben haben. Außerdem sollen sie sich mit Inseraten in diversen Medien eine wohlmeinende Berichterstattung erhofft haben. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Korruption und Untreue laufen gegen zehn Verdächtige.
Ibiza-Affäre als Indiz für korrupte Kurz-Regierung
Nach der sogenannten Ibiza-Affäre, die eine Anfälligkeit für Korruption der Regierung nahegelegt hatte, waren mehr als 300.000 Chatnachrichten ausgewertet und von der Staatsanwaltschaft oft als belastend bewertet worden. Eine zentrale Rolle spielte dabei das Mobiltelefon des erwähnten Thomas Schmid, der sich anschließend als Kronzeuge angeboten und Kurz mehrfach belastet hat.
Mit Informationen von dpa und Reuters
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