Israels Militär hat rund zwei Monate nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen wieder massive Angriffe auf die islamistische Hamas im Gazastreifen aufgenommen. Laut der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen, die unter Kontrolle der Hamas steht, starben bei den nächtlichen Luftangriffen 413 Palästinenser.
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Auch hohe Hamas-Funktionäre unter den Toten
Unter den Opfern der Angriffe auf den Gazastreifen befinden sich nach Angaben der Hamas auch der Regierungschef der Palästinenserorganisation im Gazastreifen, Essam al-Dalis, zudem drei weitere prominente Spitzenfunktionäre und Angehörige ihrer Familien.
Die israelische Armee rief die Bevölkerung im Gazastreifen inzwischen zu einer Evakuierung der Grenzgebiete auf. Zu ihrer Sicherheit müssten sich die Menschen "zu den bekannten Zufluchtsorten im Westen der Stadt Gaza und in Chan Junis" begeben, erklärte der Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee. Besonders der Norden und Süden des Küstengebiets seien "gefährliche Kampfgebiete".
Netanjahu will "mit zunehmender militärischer Stärke" vorgehen
Israels schwerste Luftangriffe in Gaza seit Inkrafttreten der Waffenruhe erfolgten auf die "wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen, sowie auf ihre Ablehnung aller Vorschläge, die sie vom Gesandten des US-Präsidenten Steve Witkoff und von den Vermittlern erhalten hat", teilte das Büro des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu mit.
"Israel wird von nun an mit zunehmender militärischer Stärke gegen die Hamas vorgehen", hieß es in der Mitteilung von Netanjahus Büro. Ein Teil dieses Vorgehens sind offenbar auch Angriffe des israelischen Militärs am Boden, die simultan mit den Attacken aus der Luft erfolgten.
Washington gab offenbar grünes Licht
Im Januar war zwischen Israel und der Hamas eine Waffenruhe vereinbart, deren erste Phase sechs Wochen dauern sollte. Bisher konnten sich beide Seiten nicht auf eine Verlängerung einigen. Israel hatte mit Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren Geiseln freilassen. Auch während der Waffenruhe war es immer wieder zu israelischen Angriffen gekommen. Die Hamas und andere Islamistengruppen halten laut Israel noch 24 Geiseln und die Leichen von 35 Entführten fest.
Für die jetzige Intensivierung der Kämpfe erhielt Israels Regierung offenbar die Rückendeckung der USA. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, sagte: "Die Hamas hätte Geiseln freilassen können, um die Waffenruhe zu verlängern, hat sich aber stattdessen für Verweigerung und Krieg entschieden." US-Präsident Donald Trump habe Israel daher grünes Licht für die Wiederaufnahme der Angriffe gegeben, zitierte das "Wall Street Journal" einen israelischen Beamten. Israel informierte demnach die USA vorab über die Attacken.
Hamas-Funktionär spricht von "Todesurteil" für Geiseln
Die islamistische und mit dem Iran verbündete Hamas warf Israel hingegen vor, gegen das Waffenruhe-Abkommen zu verstoßen. Netanjahu und dessen "extremistische Regierung" hätten offenbar beschlossen, das Waffenruhe-Abkommen "zu brechen", hieß es in einer Erklärung. Die Hamas forderte die Vermittler Ägypten, Katar und USA auf, Israel "für den Bruch" des Waffenruhe-Abkommens zur Verantwortung zu ziehen.
Mit seinem Vorgehen riskiere Israel das Leben der Geiseln, drohte die Terrororganisation. Issat al-Rischek, Mitglied des politischen Büros der Hamas, erklärte, "Netanjahus Entscheidung, in den Krieg zurückzukehren" sei "eine Entscheidung, die Gefangenen der (israelischen) Besatzung zu opfern und ein Todesurteil gegen sie". Israel habe seine Verpflichtungen aus dem im Januar geschlossenen Waffenruheabkommen nicht eingehalten.
Angriffe stoßen auf viel Kritik
International stießen die israelischen Angriffe auf Kritik. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich schockiert über den Tod vieler Zivilisten und rief dazu auf, die Waffenruhe einzuhalten. Humanitäre Hilfe müsse ungehindert die Bedürftigen erreichen und die verbleibenden Geiseln sollten bedingungslos freigelassen werden. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, äußerte sich "entsetzt über die israelischen Luftangriffe und den Artilleriebeschuss in der vergangenen Nacht im Gazastreifen".
Das türkische Außenministerium sprach davon, dass Israel eine "neue Phase seiner Politik des Völkermords" an den Palästinensern begonnen habe. Die internationale Gemeinschaft müsse entschlossen reagieren, es drohe ein "neuer Kreislauf der Gewalt".
Der Vermittler Ägypten warf Israel gleichfalls vor, die Waffenruhe gebrochen zu haben. Die Angriffe stellten eine gefährliche Eskalation dar, erklärt das Außenministerium in Kairo. Ägypten fordere alle Parteien zur Zurückhaltung auf. Den Vermittlern müsse die Chance gegeben werden, sich für eine dauerhafte Waffenruhe einzusetzen.
Mit Informationen von DPA und AFP
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