Als Evolution bezeichnet man in der Biologie, dass sich genetische Merkmale von Generation zu Generation allmählich verändern. So bleiben Nachkommen an ihre Umgebung angepasst und die Lebewesen vielfältig. Während in der menschlichen Fortpflanzung das Erbgut der Eltern gemischt und an die Nachkommen weitergegeben wird, läuft das bei Milben seit Millionen von Jahren erfolgreich anders: Mütter bekommen Töchter aus unbefruchteten Eiern.
Geschlechtsverkehr als wichtiger Bestandteil der Evolution
Bei Organismen mit zwei Chromosomensätzen, wie das zum Beispiel beim Menschen der Fall ist, sorgt Geschlechtsverkehr für eine konstante Durchmischung des Erbguts. Von Generation zu Generation wird neu kombiniert.
Sex gilt daher als wichtiger Motor der Evolution, erklärt Hüsna Öztoprak, Wissenschaftlerin am Institut für Zoologie der Universität zu Köln: "Sex sorgt für genetische Vielfalt und ermöglicht, dass Organismen sich schneller an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Ohne Sex hingegen drohen genetische Stagnation und letztlich das Aussterben – zumindest laut gängiger evolutionärer Theorie. Genau hier wird es spannend. Die Forscherin hat nämlich bei asexuell lebenden Milben Mechanismen entdeckt, die genetische Vielfalt erzeugen. Und zwar ganz ohne Männchen und ohne Sex.
Mütter bekommen Töchter – Männchen gibt es praktisch nicht
Zwar hat auch das Hornmilben-Weibchen einen doppelten Chromosomensatz, doch die Mütter produzieren ihre meist weiblichen Nachkommen aus unbefruchteten Eiern. Männchen fehlen, sind sehr selten und tragen nicht zum Genpool bei. Dass die trotzdem keine Klone der Mutter sind, liegt an verschiedenen Tricks: Der Chromosomensatz der Hornmilbe ist nämlich enorm wandelbar.
So gibt es Gene, die ihren Platz im Genom einfach mal wechseln, sogenannte "springende Gene". Andererseits baut die Milbe auch fremdes Erbgut bei sich ein – von Pflanzen, Pilzen oder Bakterien. "Horizontaler Gentransfer" nennt sich das. Beides führt zu genetischer Flexibilität. "Generell wirkt diese unabhängige Entwicklung der Chromosomen-Kopien wie ein genetisches Sicherheitsnetz", erklärt Öztoprak. "Schädliche Mutationen können auf Dauer ausgeglichen werden, während gleichzeitig neue genetische Vielfalt entsteht."
Ihr Überlebenserfolg gibt der Hornmilbe recht – seit mehr als 20 Millionen Jahren, ganz ohne Sex.
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