München, 28.01.25: Florian Herrmann (CSU), Leiter der bayerischen Staatskanzlei, nimmt nach einer Kabinettssitzung an Pressekonferenz teil.
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München, 28.01.25: Florian Herrmann (CSU), Leiter der bayerischen Staatskanzlei, nimmt nach einer Kabinettssitzung an Pressekonferenz teil.

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"Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen"

"Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen"

Im Februar sollte ihr Referendariat starten – aber Bayerns Kultusministerium hält Lisa Poettinger nicht für geeignet, als Lehrerin zu arbeiten. Die Aktivistin macht ihren Fall jetzt öffentlich. Die Staatsregierung betont: Das Verfahren laufe noch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Freistaat Bayern will einer Klimaaktivistin und Kapitalismus-Kritikerin wohl den Weg in den Lehrerberuf verwehren – weil das Kultusministerium sie offenbar für eine Kommunistin hält. Dabei geht es um die 28-jährige Lisa Poettinger. Sie studiert Lehramt für Gymnasien. Um die Ausbildung zu beenden, müsste sie ein Referendariat absolvieren. Das bayerische Kultusministerium stuft sie jedoch als Linksextremistin ein und verweigert ihr deshalb einstweilen den Zugang zu der Ausbildung.

Poettinger sieht darin den Versuch, den Klimaprotest mundtot zu machen: "So ein Berufsverbot hat wirklich ein ganz großes Einschüchterungspotenzial", sagt sie auf BR24-Anfrage. Schon während ihres Protests gegen die Automesse IAA in München 2021 habe ihr die Polizei bedeutet, dass sie damit ihre berufliche Zukunft gefährden könnte.

Poettinger sieht sich als Marxistin, nicht als Kommunistin

Zunächst hatte die "Süddeutsche Zeitung" über den Fall berichtet (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt). In einem Schreiben an Poettinger, aus dem die Zeitung zitiert, argumentiert das Ministerium demnach mit deren Kapitalismuskritik bei Aktionen gegen die Automesse. Poettinger selbst, die derzeit in einem Kindergarten arbeitet, bezeichnet sich als Marxistin – aber ausdrücklich nicht als Kommunistin. Sie sei überzeugte Verfechterin von Grundgesetz und bayerischer Verfassung.

"Ich finde die Analyse richtig, dass Kapitalismus zu Ausbeutung von Menschen und der Natur führt", sagt sie, "und auch allgemein zu ungerechten Strukturen. Die uns letztendlich, wie wir ja sehen, gegen die Wand fahren." Wenn etwa der Slogan "System change, not climate change" als verfassungsfeindlich gelte, müsste man aus ihrer Sicht auch andere Organisationen wie den Bund Naturschutz kriminalisieren – was absurd wäre.

Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte

Der Freistaat argumentiert wiederum auch mit anhängigen Verfahren gegen die Aktivistin wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Braunkohletagebau Lützerath vor zwei Jahren: Sie habe absichtlich Gesetze gebrochen und zeige kein Unrechtsbewusstsein. Ein Urteil gibt es bisher nicht.

Abschließend entschieden ist über die berufliche Zukunft Poettingers ebenfalls noch nicht: Das Kultusministerium will sie erst noch anhören – und sie selbst hat verkündet, sich nicht einschüchtern zu lassen und gegen die Entscheidung vorzugehen. Am Freitag gibt sie eine Pressekonferenz. Am 17. Februar starten die neuen Referendarinnen und Referendare in Bayern ihren Dienst. "Wann wollen die denn entscheiden?", fragt Poettinger. Das Verfahren laufe bereits seit Herbst, und sie müsse ja womöglich für das Referendariat in eine andere Stadt ziehen.

Herrmann: "Weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen"

Im bayerischen Ministerrat berichtete am heutigen Dienstag Kultusministerin Anna Stolz (FW) zu dem Fall. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) verkündete anschließend: "Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen." Poettingers Fall sei aber noch nicht entschieden, sondern werde aktuell noch geprüft.

Herrmann betonte, dass Poettingers Tätigkeit als Klimaaktivistin nicht der Grund für das Anhörungsverfahren sei. Es gehe um ihr "Engagement in linksextremistischen Vereinigungen sowie auch um im Zusammenhang stehende strafrechtliche Ermittlungen". Poettinger war zuvor an Veranstaltungen der Gruppe "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München" beteiligt. Die Organisation wurde vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft – laut Poettinger war das aber noch nicht der Fall, als sie an den Treffen teilnahm.

Stolz hatte bereits zuvor auf BR24-Anfrage betont: "Unabhängig vom konkreten Fall, der sich gerade noch in Prüfung befindet, gilt für mich immer: Der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen an den bayerischen Schulen hat oberste Priorität." Für Beamte und Lehrkräfte gelte deswegen eine besondere Pflicht zur Verfassungstreue: "Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht, den lassen wir nicht in den staatlichen Schuldienst!"

Poettinger auch bekannt wegen Demos gegen Rechtsextremismus

Öffentlich bekannt wurde Poettinger als Mitorganisatorin der großen Demo gegen Rechtsextremismus vergangenes Jahr. Wo sie lieber niemand von der CSU dabei gehabt hätte – sie habe "gar keinen Bock" auf Rechte jeglicher Couleur, ließ sie damals wissen.

Übrigens: Einfach ein Referendariat außerhalb Bayerns zu machen, das kommt für Poettinger nicht infrage. Wegen familiärer Verpflichtungen gehe das nicht, betont sie.

Im Audio: Aktivistin als Lehrerin?

Klimaaktivistin Lisa Poettinger im Dezember 2023 in München
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Klimaaktivistin Lisa Poettinger im Dezember 2023 in München

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