John Ewert hat Gewalt durch seine Partnerin erlebt
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Partnerschaftsgewalt gegen Männer auf Höchststand

Partnerschaftsgewalt gegen Männer auf Höchststand

Häusliche Gewalt richtet sich überwiegend gegen Frauen. Doch immer häufiger werden auch Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt. Fast 21 Prozent der Betroffenen sind männlich. Doch Männerschutzwohnungen sind extrem rar. Und es gibt noch ein Problem.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Magnus hat die Erinnerungen an seine Frau ganz tief im Keller "vergraben". In einem Koffer lagern seine Gewalttagebücher. Aufzeichnungen der letzten zwei Jahre des Zusammenlebens: "Du bist schlecht. Ich werde alle Rechte bekommen. Du wirst elend enden", liest er die Beschimpfungen seiner Ex-Frau vor. Angefangen habe es zunächst mit verbalen Attacken. "Und dann hat sie angegriffen und mich so gebissen, dass Blut geflossen ist."

Gesicht und Hände zerkratzt

Auch John war lange in einer Beziehung mit einer gewalttätigen Frau. Am Anfang seien es nur Beschimpfungen gewesen, berichtet er. Doch immer häufiger seien körperlichen Attacken hinzugekommen. Bei Meinungsverschiedenheiten sei sie auf ihn losgegangen, habe ihm das Gesicht oder die Hände zerkratzt. Er fühlte sich immer eingeschüchterter, wenn sie in Rage geriet. "Und ich hatte dann auch Angst, dass sie mir noch mehr tut und sie im schlimmsten Fall auf mich losgeht, dass sie mich umbringt."

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland laut Statista rund 35.000 männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt polizeilich erfasst. Das sind fast elf Prozent mehr als im Vorjahr. Damit stieg die Zahl der Männer, die Gewalt erfahren haben, auf einen Höchststand. Häusliche Gewalt betrifft weiterhin zum überwiegenden Teil Frauen und Mädchen. Auch hier fehlt es an ausreichend Anlaufstellen und Hilfsangeboten. Für Männer gibt es in Bayern nur zwei Schutzwohnungen, in Nürnberg mit fünf Plätzen. Seit der Eröffnung 2019 sind sie pausenlos belegt.

Im Schlaf in den Bauch getreten

David Schäfer leitet die Männerschutzwohnung der Caritas in Nürnberg. Der Sozialpädagoge hilft Männern, die Gewalt durch ihre Partnerin erfahren haben. Er habe viele Männer erlebt, die den Tränen nahe waren, wenn sie endlich einen Zufluchtsraum bekamen: "Ein eigenes Zimmer, das sie abschließen können, damit sie sich sicher sein können, hier werde ich in Ruhe gelassen." Die Männer, die bei ihm Zuflucht finden, wurden im Schlaf in den Bauch getreten, mit Flüssigkeiten übergossen oder mit Gegenständen geschlagen, berichtet Schäfer.

Männer wie Frauen können sich oft trotz Todesangst und körperlicher Attacken nicht durchringen, sich zu trennen. Bei Männern beobachtet David Schäfer zudem ein Bagatellisieren der Gewalterfahrungen: "Die sprechen nebenbei über Ohrfeigen, über Schubsen, über Tritte. Als ob es nichts wäre." Das Zugrundegehen einer Lebensperspektive, die Zerstörung der Familie, hindere sie oft daran, zu gehen, auch wenn die Demütigungen und die Gewalt in der Partnerschaft schwerstes Leid verursachten. Die Hemmschwelle zur Polizei zu gehen, sei bei Männern noch höher, weiß David Schäfer: "Dort nochmal offenkundig zu Protokoll zu geben: Ich als Mann brauche jetzt Hilfe. Ich als Mann war nicht imstande, mich gegen die Übergriffe zu wehren. Das widerspricht diametral einem noch sehr gängigen Männerbild."

Schon als Kind misshandelt von der Mutter

Magnus hat es nie geschafft, zur Polizei zu gehen. Auch ein Männerschutzhaus war für ihn keine Option. Seine Wohnung war sein Rückzugsort. Hobbys wie das Reparieren von Uhren halfen ihm, sein Gleichgewicht immer wiederzufinden. Schon als Kind sei er von seiner Mutter "pausenlos verprügelt worden". Als später seine Ehefrau gewalttätig wurde, sei das nichts Neues für ihn gewesen: "Weil ich das gewohnt war, dass ich geprügelt und gedemütigt wurde. Man strahlt sowas wahrscheinlich aus." Ein Jahr lang verbarrikadierte sich Magnus in seinem Schlafzimmer. Aus Angst, im Schlaf verprügelt zu werden. Eines Tages verschwand seine Frau plötzlich.

John kämpfte jahrelang um seine Beziehung, hoffte darauf, dass es irgendwann besser würde. Vergebens. Auch er zeigte seine Partnerin nie an, doch er floh in eine Schutzwohnung. Insgesamt neun Monate verbrachte er dort und schaffte es endlich, sich zu trennen. Eine Befreiung, sagt John heute: "Eine Befreiung und ein Neuanfang."

Das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" erreichen Sie unter 0800 / 1239900

Mehr zum Thema "Liebe, Macht, Gefahr · Tabu Partnerschaftsgewalt" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.

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