Der Pilotenstreik am Freitag sorgt für hunderte Flugausfälle bei der Lufthansa. Wie ein Sprecher der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sagte, hat die Arbeitsniederlegung am Morgen wie geplant begonnen: um 0:01 Uhr. Der Ausstand soll um 23.59 Uhr enden.
Mehr als 800 Flüge fallen in Frankfurt und München aus
Die Lufthansa hatte bereits am Donnerstag nahezu das komplette Programm an den Drehkreuzen München und Frankfurt gestrichen - und auch nicht versucht, ein Rumpfprogramm beispielsweise mit Management-Piloten in die Luft zu bekommen. Von den Ausfällen betroffen sind rund 130.000 Passagiere von mehr als 800 Flügen. Der Konzern warnte, dass es auch am Samstag und Sonntag noch zu "einzelnen Flugausfällen oder Verspätungen" kommen könne. Aber man arbeite mit Hochdruck daran, nach Streikende wieder einen weitgehend normalen Flugbetrieb anbieten zu können. Es handelt sich um das letzte Ferienwochenende in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.
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Mehr als nur "Unregelmäßigkeiten" in München
Am Flughafen München ist der Betrieb deutlich gedrosselt – aber es herrscht kein Stillstand im Terminal 2, das die Lufthansa nutzt. Das ist der Eindruck von Freitagmorgen 7:00 Uhr. Dies liegt zum einen daran, dass dort auch die Partner von der Star-Alliance ihre Flüge abwickeln. Und die sind vom Streik ebenso wenig betroffen wie Lufthansa-Tochtergesellschaften wie zum Beispiel Austrian Airlines.
So kann die Lufthansa trotz der Arbeitsniederlegungen der Piloten mit Hilfe ihrer nicht bestreikten Tochterunternehmen einzelne Flüge durchführen. In der Früh sind jedenfalls Maschinen etwa nach Amsterdam und Köln gestartet, die auf der Anzeigetafel mit dem Kürzel LH gekennzeichnet waren. Sehr viel öfter sieht man dort freilich den Vermerk "cancelled /annulliert". Es sind also mehr als nur "Unregelmäßigkeiten", von denen in Durchsagen im Terminal 1 mit Verweis auf den Streik immer wieder die Rede ist.
Nicht alle Flüge werden bestreikt
Bestreikt werden laut der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit ausschließlich die Abflüge der Lufthansa-Kerngesellschaft sowie der Lufthansa Cargo von deutschen Flughäfen. Die Tochtergesellschaften Eurowings, Lufthansa Cityline und Eurowings Discover sind von dem Aufruf nicht betroffen und sollen planmäßig fliegen. Gleiches gilt für ausländische Lufthansa-Töchter wie Swiss, Austrian oder Brussels.
Auch Lufthansa-Flüge von nicht-deutschen Startpunkten finden statt, sofern Flugzeuge und Crews bereits im Ausland sind. Ziel der Flugplaner ist ein reibungsloser Neustart nach dem Streik am Samstag.
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Lufthansa scheitert mit Antrag auf Unterlassung des Streiks
Ein Versuch der Lufthansa, den Streik in letzter Minute abzuwenden, verlief indessen erfolglos: Sie scheiterte vor dem Arbeitsgericht München am Freitag mit einem Antrag auf einstweilige Unterlassung des Pilotenstreiks. Die Fluggesellschaft hatte laut Gericht argumentiert, dass die Forderung nach einer Erhöhung der Tarifgehälter mittels eines automatischen Inflationsausgleiches ein rechtswidriges Streikziel sei. Dem folgte das Gericht nicht.
Allerdings betonte die 38. Kammer auch, dass die Forderung der Vereinigung Cockpit nicht unbedenklich sei. "Jedoch hätte die Deutsche Lufthansa AG ihre rechtlichen Bedenken während der bisherigen Verhandlungen äußern müssen, damit über diesen Punkt Gespräche hätten geführt werden können." Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung zum Landesarbeitsgericht München ist möglich.
Reaktionen der Passagiere reichen von Gelassenheit bis Verärgerung
Einige Fluggäste in München gehen gelassen mit der Situation um: "Es war halt ein bisschen Stress und mehr Aufwand gestern, weil man nicht wusste, ob man in den Urlaub kommt oder nicht. Aber ist alles gut ausgegangen", sagt eine Passagierin im Terminal 2 des Münchner Flughafens.
Andere wiederum zeigen sich enttäuscht vom Management der Lufthansa: "Wir verstehen nicht, dass Lufthansa, die vom Staat subventioniert wurde, dass die nicht bereit ist, ihre Piloten richtig zu bezahlen", sagt ein Mann. "Dann wird es immer wieder solche Problematiken geben, das fällt ja auch auf die Fluglinie zurück." Eine andere Passagierin kann den Unmut der Piloten nachvollziehen. "Man versteht, wieso die das machen. Deswegen ist es auch okay", meint sie.
Umbuchungen mit Zwischenlandungen
Eine Frau, die nach Brasilien fliegen wollte, war schon am Donnerstag zum Flughafen München gefahren, um sich umbuchen zu lassen. Statt direkt nach Rio de Janeiro fliegt sie nun über Amsterdam.
Ebenfalls eine Zwischenlandung in Kauf nehmen muss ein Paar, das eine Kroatienreise geplant hat. Ihr Reisebüro konnte bei der Umbuchung nicht helfen. Nun müssen die beiden zweimal umsteigen - in Stuttgart und in Zürich, ehe es dann nach Split geht.
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Was sollen Passagiere tun?
Wer heute eine Flugreise mit Lufthansa plant und noch keine aktuelle Information zum Flugstatus bekommen hat, etwa über eine SMS, sollte sich deshalb vorher genau erkundigen, ob sich die Fahrt zum Flughafen lohnt.
Die Fluggäste wurden aufgefordert, nicht an die Flughäfen zu kommen, sondern auf den Zug oder Flüge an einem anderen Tag auszuweichen. Ihnen stehen bei Ausfällen oder schwerwiegenden Verspätungen Erstattungen und möglicherweise auch Ausgleichszahlungen zu.
Die Lufthansa erklärte, dass Kundinnen und Kunden "nach Möglichkeit" auf alternative Flüge umgebucht werden. Auf innerdeutschen Strecken könnten Fluggäste auch die Deutsche Bahn nutzen. Es sei möglich, Tickets online in einen Fahrschein der Bahn umzuwandeln.
Grundsätzlich besteht auch die Option, einen streikbedingt gestrichenen Flug zu stornieren. Die Airline hat dann sieben Tage Zeit, den Kunden ihr Geld zurückzuzahlen.
Gewerkschaft "Vereinigung Cockpit" rief den Streik aus
Die Gewerkschaft hatte mehr als 5.000 Cockpit-Beschäftigte zum Ausstand gerufen, nachdem Tarifverhandlungen mit der Lufthansa gescheitert waren. Alle Abflüge von Deutschland werden bestreikt. Die Lufthansa hat den Streikaufruf kritisiert und die VC aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Laut Lufthansa würden die Forderungen der VC die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Dies sei selbst ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise außerhalb des Vertretbaren. Zuletzt habe das Unternehmen eine Erhöhung der monatlichen Grundvergütung um pauschal 900 Euro angeboten. Bezogen auf die Laufzeit von 18 Monaten würde das Zuwächse von 18 Prozent für Berufsanfänger und fünf Prozent für Kapitäne in der Endstufe ergeben, teilte die Lufthansa mit.
Die VC hatte neben 5,5 Prozent mehr Geld in diesem Jahr einen automatisierten Ausgleich oberhalb der Inflation ab 2023 verlangt. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle sowie mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training. Auf eine Laufzeit von zwei Jahren würde das eine Mehrbelastung von 900 Millionen Euro bedeuten, erklärte die Lufthansa.
Kritik am Streik von Friedrich Merz
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte den Streik. "Deutschland ist in einer wirtschaftlich angespannten Lage. Der Tarifkonflikt muss am Verhandlungstisch ausgetragen werden und nicht auf dem Rücken der Reisenden", sagte er der Zeitung "Rheinische Post".
Im Juli erst Warnstreik beim Bodenpersonal
Von der für den heutigen Streik nicht verantwortlichen Gewerkschaft Verdi heißt es unterdessen, bei Tarifauseinandersetzungen wie diesen stelle man eine zunehmend gewerkschaftsfeindliche Stimmung fest. Verdi-Chef Werneke sagte der "Augsburger Allgemeinen", im Warnstreik beim Lufthansa-Bodenpersonal Ende Juli habe es Morddrohungen gegeben.
Die Gewerkschaft Verdi hatte mit dem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Es fielen mehr als 1.000 Flüge aus, rund 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. In der anschließenden Verhandlungsrunde erreichte die Gewerkschaft für die rund 20.000 Bodenbeschäftigten Gehaltssteigerungen, die insbesondere in den unteren Lohngruppen deutlich zweistellig ausfielen.
Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst verhandeln
Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Sie erklärte sich "ausdrücklich und uneingeschränkt solidarisch" mit dem Streik. / Mit Material von dpa und AFP
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