Nach dem brutalen Angriff am vergangenen Freitag hat sich der sächsische SPD-Spitzenkandidat Matthias Ecke für die Europawahl mit einem Selfie aus dem Krankenhaus gemeldet. Es zeigt den 41-Jährigen mit einem blauen Auge. Darunter ein Pflaster und eine dick geschwollene Wange. Am Sonntag wurde Ecke operiert, nachdem er beim Kleben von Wahlplakaten brutal angegriffen und schwer verletzt wurde.
Weil dieser Fall kein Einzelfall ist, sondern vielmehr die nächsthöhere Eskalationsstufe einer mittlerweile langen andauernden Entwicklung, haben sich am Abend die Innenminister der Länder zu einer Sondersitzung zusammengeschaltet, um über einen besseren Schutz von politisch Aktiven zu beraten.
Angriffe und Bedrohungen als Gefahr für die Demokratie
Der Angriff auf Ecke sei erschreckend und zeige eine zunehmende "Verrohung" der Gesellschaft, so Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) im Anschluss an die digital abgehaltene Innenministerkonferenz. Beim Umgang mit derartigen Fällen gehe es nicht nur um die Angriffe an sich, sondern auch um die Frage, "wie mutig Menschen in Zukunft noch für unsere Demokratie auf den Straßen unterwegs sind".
Auch in Bayern seien die entsprechenden Straftaten – meist in Form von Beleidigungen – in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Mit Blick auf die zu ziehenden Konsequenzen sagte Herrmann, das Wichtigste sei, die bestehenden Strafrahmen besser auszuschöpfen. Für eine derartige Körperverletzung seien bis zu drei Jahre Haft möglich. Tatsächlich kämen die Täter aber oft mit Geld- oder Bewährungsstrafen davon.
Strengere Gesetze? Innenminister sind sich uneins
Während Herrmann die derzeit geltenden Gesetze für ausreichend erachtet und zunächst die Strafrahmen besser ausschöpfen will, sieht der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), Nachschärfungsbedarf. Angriffe auf Amts- und Mandatsträger sowie politische Akteure müssten "mit ihrer besonderen Wirkung auf die Demokratie strafrechtlich stärker erfasst und geahndet werden", sagte Stübgen. "Die bisherigen Strafgesetze (…) decken die Besonderheiten und Folgen von Angriffen auf Amts- und Mandatsträger und politischer Akteure nicht mehr hinreichend ab".
Im Video: Innenminister Herrmann nach Angriffen auf Politiker
Herrmann will gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen
Ebenfalls Klärungsbedarf gibt es offenbar bei der Frage, wie mit Hass und Netze im Internet umgegangen werden soll – insbesondere in den sozialen Netzwerken. Aufhetzende und falsche Informationen wirken wie eine Art "Brandbeschleuniger", so Stübgen. Herrmann forderte erneut die Speicherung und Weitergabe von IP-Adressen an die Polizei, um derartige Delikte besser ahnden zu können und Täter aus der Anonymität zu holen. Der Europäische Gerichtshof habe erst kürzlich klargestellt, dass das zulässig sei. In Deutschland scheitere die Umsetzung aber weiter am Widerstand der Grünen und der FDP, so Herrmann.
Täter des Angriffs offenbar ermittelt
Während die Diskussion um die zu ziehenden Konsequenzen erst anläuft, sind die mutmaßlichen Täter aus Dresden bereits ermittelt. Bereits am Sonntag nach dem Angriff auf Ecke hatte sich ein 17-Jähriger der Polizei gestellt. Später konnten die Ermittler drei weitere junge Männer ermitteln. Bei mindestens einem der Verdächtigen gibt es Hinweise auf eine möglicherweise rechtsextreme Gesinnung.
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