Demonstranten während eines Protests gegen den Tod der 22-jährigen Iranerin Jina Mahsa Amini.
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Teheran, 21.09.2022: Demonstranten während eines Protests gegen den Tod der 22-jährigen Iranerin Jina Mahsa Amini.

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Reicht das? Berlins Reaktionen auf Irans Gewalt gegen Proteste

Reicht das? Berlins Reaktionen auf Irans Gewalt gegen Proteste

Todesurteile gegen Demonstranten, brutale Unterdrückung der Protestbewegung, Drohnenlieferungen an Moskau: Es gibt viele Gründe, massiven Druck auf das iranische Regime auszuüben. Warum fallen die Reaktionen in Berlin und Brüssel so halbherzig aus?

Es ist der 12. Dezember 2022: Die EU-Außenminister sind in Brüssel zusammengekommen und beraten über ihre weitere Vorgehensweise gegenüber dem iranischen Regime. Am selben Tag ist Mohsen Schekari öffentlich hingerichtet worden – binnen weniger Tage der zweite getötete Demonstrant, der gegen die Mullah-Diktatur protestiert hat. Laut staatlicher Nachrichtenagentur Irna hatte er Ende September bei einer Straßenblockade in Teheran ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Milizen verletzt. Die Anklage vor Gericht hatte gelautet: "Kriegsführung gegen Gott".

Nach den Beratungen der Außenminister in Brüssel sagt Annalena Baerbock an diesem Tag, die Hinrichtung sei ein "unverhohlener Einschüchterungsversuch“ des Regimes. Als Antwort habe die EU ein "weiteres Sanktionspaket auf den Weg" gebracht, das sich gegen diejenigen richte, die für "diese unglaublichen Verbrechen verantwortlich sind." Rund 20 Personen werden mit Einreiseverboten und dem Einfrieren von Auslandskonten belangt. Unter ihnen sind Angehörige der Basidsch-Milizen sowie der Cyber-Abwehr der Revolutionsgarden.

Revolutionsgarden nicht auf der EU-Terrorliste

War das die angekündigte "harte Reaktion der EU?" Vier Tage vor den Beratungen in Brüssel hatte Baerbock gesagt, dass es angesichts des immer brutaler vorgehenden iranischen Regimes umso wichtiger sei, dass die EU mit Menschenrechtssanktionen darauf reagiere. Doch vor einer Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation scheuen Berlin und Brüssel zurück.

Ganz im Gegensatz zu den USA, die das schon 2019 getan haben. Großbritannien kündigte diesen Schritt diese Woche an. Seit dem Beginn der Massenproteste gegen das iranische Regime, seit September vergangenen Jahres, wächst der politischen Druck auf Bundesregierung und EU-Kommission nachzuziehen.

"Formale Voraussetzung" laut Außenministerium nicht gegeben

Von Revolutionsführer Ayatollah Chomeini vor mehr als 40 Jahren als paramilitärische Einheit gegründet, um jede Art von Umsturz der Mullah-Herrschaft zu unterdrücken, sind die Revolutionsgarden längst zur dominierenden Macht innerhalb des Regimes geworden. Warum die Zurückhaltung in Berlin und Brüssel?

Die "formale Voraussetzung" sei derzeit nicht gegeben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vergangenen Monat. Für eine Einstufung als Terrororganisation müsste es in einem EU-Land Ermittlungen wegen Terrordelikten geben oder ein entsprechendes Urteil vorliegen. Die deutsche Generalstaatsanwaltschaft ermittle wegen einer mutmaßlichen Beteiligung der Revolutionsgarden an Anschlägen auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen, sagte der Außenamtssprecher. Man müsse abwarten, ob sich der Verdacht einer Mittäterschaft der iranischen Revolutionsgarden erhärten lasse.

Vorgeschobene Gründe?

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen ist dagegen der Ansicht, dass das Außenministerium durchaus bereits jetzt gegen die Revolutionsgarden vorgehen kann. Nach EU-Recht seien bei den formalen Voraussetzungen auch Ermittlungen und Urteile in anderen Staaten erfasst – und ein entsprechendes Urteil aus den Vereinigten Staaten liege vor.

Röttgens Fazit: Deutschland und Europa stünden "in beschämender Weise auf der falschen Seite der Geschichte." Auch innerhalb der Regierungskoalition gibt es Rufe zu handeln: Es sei dringend notwendig, "dass die Europäische Union jetzt die Revolutionswächter auf ihre Terrorliste setzt," sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Festhalten an den Atomverhandlungen?

Die Verhandlungen um eine Neuauflage des Atomabkommens mit dem Iran, das die Entwicklung iranischer Nuklearwaffen verhindern und dem Iran im Gegenzug wirtschaftliche Erleichterungen verschaffen soll, sind nach kurzer Hoffnung noch im Herbst wieder zum Stillstand gekommen.

Vor allem die Europäer hatten große Erwartungen in eine Neuauflage des Abkommens gesetzt, das 2018 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump einseitig aufgekündigt und anschließend auch vom Iran nicht mehr eingehalten worden war. "Ich befürchte," so der Außenminister von Österreich, das traditionell Gastgeber für die Verhandlungen ist, "dass der Iran selber das Fenster zugemacht hat." Die Iraner hätten "viel zu viele Bedingungen gestellt, es zu lange hinausgezögert", begründet Alexander Schallenberg seine Einschätzung.

Diese teilt auch Washington. Teheran habe im September, also mit Beginn der brutalen Unterdrückung der Massenproteste, das nahezu fertige, neue Abkommen abgelehnt, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums vor wenigen Tagen. Seitdem "ist es nicht mehr in unserem Fokus." Vielmehr gehe es jetzt um "die fundamentalen Freiheitsrechte" der iranischen Bevölkerung. Außerdem richte sich das Augenmerk Amerikas zunehmend auf die iranischen Drohnenlieferungen an Russland. Die russischen Streitkräfte setzen nach Angaben der ukrainischen Regierung und ihrer westlichen Verbündeten bei ihren Luftangriffen auf ukrainische Städte iranische Drohnen ein.

Baerbock: Zugeständnisse wären "komplett falsche Strategie"

Zum jetzigen Zeitpunkt die Verhandlungen mit dem Iran wiederaufzunehmen, käme für Berlin und Brüssel einem außenpolitischen Offenbarungseid gleich. Denn angesichts von Dutzenden von Todesurteilen, Hunderten getöteter Demonstranten, über 18.000 Inhaftierten und der Drohnenlieferungen an Moskau wären Gespräche mit dem Regime toxisch.

Das sieht auch Annalena Baerbock so. Es wäre eine "komplett falsche Strategie", jetzt Zugeständnisse zu machen. Man würde "den Menschen im Iran massiv in den Rücken fallen und das Regime eher ermutigen, weiterzumachen," sagte Baerbock Anfang des Monats im Gespräch mit Journalisten des neuen Online-Portals "Table.Berlin". Mutigere und weitgehendere Schritte sind allerdings derzeit nicht erkennbar.

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