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Archivbild: Kritik an Steuerplänen für Auslands-Fachkräfte

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"Rücksichtslos": Kritik an Steuerplänen für Auslands-Fachkräfte

Steuererleichterungen für Fachkräfte aus dem Ausland sollen dem Personalmangel in Deutschland entgegenwirken. Doch BSW und Union kritisieren das Vorhaben der Bundesregierung scharf.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die von der Koalition geplanten Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte stoßen bei der Opposition auf heftige Kritik. "Dieser Vorschlag ist rücksichtslos gegenüber den einheimischen Beschäftigten", sagte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. "Während deutsche Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen unter weit überdurchschnittlichen Steuern und Abgaben leiden, will die Bundesregierung ausländische Fachkräfte mit massiven Steuererleichterungen privilegieren."

Wagenknecht äußerte Zweifel daran, dass der Plan mit dem in Grundgesetz-Artikel 3 [Externer Link] verankerten Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei. "Die Bundesregierung sollte lieber diejenigen in Arbeit bringen, die sich bereits im Land befinden" – etwa durch bessere Bildungsangebote.

"Keine gute Idee": Kritik auch aus der Union

Auch der Unionshaushälter Mathias Middelberg (CDU) kritisierte die Pläne: "Zugewanderte Arbeitnehmer anders zu besteuern als die eigenen Leute, ist keine gute Idee", sagte der Fraktionsvize der "Welt". Statt auf Steueranreize für eine Gruppe von Zugewanderten zu setzen, müsse das Arbeiten in Deutschland generell wieder attraktiver werden. "Notwendig ist auch, den Lohnabstand zum Bürgergeld massiv zu vergrößern und wirksame Sanktionen zu verhängen", ergänzte der CDU-Abgeordnete: "Wir müssen zurück zum Fördern und Fordern."

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag, Julia Klöckner, spricht in der Zeitung "Die Welt" [Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt] von Inländer-Diskriminierung. Durch eine solche Vorzugsbehandlung würden Arbeiter erster und zweiter Klasse geschaffen. "

Linke-Politikerin: Idee "widerspricht dem Grundgesetz"

Auch Abgeordnete von Linken und AfD halten das Vorhaben für falsch. "Das ist eine offen inländerfeindliche Politik", sagte René Springer, Sprecher für Arbeit und Soziales der AfD-Bundestagsfraktion, der "Welt". Die Linke-Politikerin Susanne Ferschl monierte: "Ausländische Fachkräfte bei der Einkommensteuer zu begünstigen, schadet der Solidarität in Belegschaften und widerspricht dem im Grundgesetz verankerten Prinzip der Gleichheit. Kritik an der Idee kommt zudem von der Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi. Sie sieht darin "gesellschaftlichen Zündstoff".

Bei ihren Haushaltsplanungen hatten die Koalitionsspitzen vergangene Woche vereinbart, Fachkräften aus dem Ausland in den ersten drei Jahren Steuererleichterungen zu gewähren. Die Maßnahme soll dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken. 

Habeck verteidigt Steueranreiz

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die Pläne der Ampel. Mit der Maßnahme könne man eine "große Fachkräftelücke" schließen, sagte der Grünen-Politiker zu Beginn seiner Sommerreise in Stuttgart. "Wir sehen, dass andere europäische Länder solche Steuervergünstigungen für Fachkräfte gewähren, wenn sie in das Land kommen", betonte Habeck. 

💬 BR24-User “greti” hat in den Kommentaren gefragt, welche Steuervorteile ausländischen Fachkräften in anderen Ländern gewährt werden und welche Auswirkungen das hat. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

Die Steuervergünstigungen sind Teil der sogenannten Wachstumsinitiative, auf die sich Habeck, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei ihren Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 geeinigt hatten. Vorgesehen ist, dass "neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen" können. Für das Einkommen gelten bestimmte Grenzen. Nach fünf Jahren soll die Wirkung der Maßnahme untersucht werden.

Andere europäische Länder bieten bereits Steuervergünstigungen für ausländische Fachkräfte. In Spanien gibt es beispielsweise das umgangssprachliche "Beckham Law". Sechs Jahre lang zahlen ausländische Fachkräfte eine pauschale Einkommensteuer von 24 Prozent auf Einkommen bis 600.000 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Für spanische Arbeitnehmer liegt die Einkommensteuer bereits ab einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro bei 45 Prozent. In Italien wiederum sind für ausländische Fachkräfte 70 Prozent ihres Einkommens steuerfrei, in bestimmten Regionen sogar 90 Prozent.

Auch nordeuropäische Länder gewähren ausländischen Fachkräften Steuernachlässe: In Schweden sind 25 Prozent des Einkommens steuerfrei. In Dänemark zahlen besonders hoch qualifizierte Fachkräfte, zum Beispiel Wissenschaftler, für sieben Jahre nur 27 Prozent Einkommensteuer (plus Sozialabgaben). Eine Studie [externer Link] des Leibniz Informationszentrums für Wirtschaft beurteilte diese Steuervergünstigungen als wirkungsvoll, verweist aber auch auf negative Effekte – nämlich für die Herkunftsländer. 💬

Habeck: "Ist den Versuch wert"

Bei Firmenbesuchen sei Deutschlands Wirtschaftsminister berichtet worden, dass Fachkräfte wegen der besseren steuerlichen Bedingungen lieber in andere Länder, etwa nach Skandinavien, gingen. "Das mal zu probieren, die Leute dadurch nach Deutschland zu holen, ist den Versuch wert. Und das ist am Ende ja auch gut für die Betriebe", sagte er.

Mit Informationen von AFP

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