Salvatore Follone und Aldo Zavone sind seit Jahren Fischer vor der Insel Salina nördlich von Sizilien und haben ein Problem: Seit Monaten ziehen sie immer öfter mit ihrem Fang ein Tier hoch, das sich vor der Küste explosionsartig ausgebreitet hat: "Il vermocane" - den Feuerwurm.
Follone zeigt einen Fisch in seinem Netz und sagt: "Schau hin, den haben sie völlig zerlegt. Da sind die Gräten. Der ist hin". Der Feuerwurm hat den Fisch halb aufgefressen. Und so geht es auch mit den nächsten Fischen weiter, die Follone nach oben zieht.
Vermehrung infolge des Klimawandels?
Feuerwürmer werden 10 bis 30 Zentimeter lang. Sie sehen raupenartig aus. Ihre Körper sind orange-rot und bedeckt mit hellen Borsten. Es gibt sie schon lange im Mittelmeer, aber nicht in solcher Zahl wie in den vergangenen Jahren. Inzwischen untersuchen Meeresbiologen vom Nationalen Ozeanografischen Institut die Tiere.
Eine von ihnen ist Michela D’Alessandro. Dass es derzeit eine so große Menge in den Meeren gebe, vor allem im Süden, liege wahrscheinlich an der Erwärmung des Wassers, so ihre Vermutung. Dadurch habe es geradezu eine Invasion der Tiere gegeben. Und deshalb werde an den Küsten Siziliens, Kalabriens, Kampaniens und sogar Apuliens eine große Zahl dieser Organismen registriert.
Kontakt verursacht Brennen und Juckreiz
Bis ins flache Wasser kommt der Feuerwurm eher nicht. Er bevorzugt felsigen Grund oder versteckt sich unter Steinen und zwischen Seegräsern. Für den Menschen sind die Tiere nicht direkt gefährlich. Aber ihren Namen tragen sie nicht umsonst: Ihre giftigen Borsten – eigentlich dazu da, um Fressfeinde abzuwehren - lösen auf der Haut Brennen und Juckreiz aus.
Giuseppe Fiorello, ein Arzt auf Salina, erzählt: "Es gibt dann eine Hautirritation, die extrem unangenehm sein kann. Das hängt davon ab, wie viele Borsten des Wurmes man auf der Haut abbekommen hat, von der jeweiligen Empfindlichkeit und der Fähigkeit, diese Irritation und die Giftstoffe zu kompensieren."
Plakate klären Strandurlauber auf
In Einzelfällen kann es auch zu heftigeren allergischen Reaktionen kommen, sagt Fiorello. An den Stränden von Salina hängen bereits Plakate, mit denen das Ozeanografische Institut OGS Urlauber über den Feuerwurm informiert. Am besten ist es einfach, den Kontakt zu vermeiden.
Für die Fischer auf den Booten ist das kaum möglich. Wenn sie die Netze einholen, hängen die oft voller Feuerwürmer. Und nicht nur das: Die Tiere werden auch zur Plage. Denn sie sind extrem anpassungsfähig, was ihre Ernährung angeht, schildert Michela D’Alessandro vom OGS: "Es handelt sich um einen sehr gefräßigen Organismus. Eigentlich sind Feuerwürmer Aasfresser, die sich von Kadavern ernähren. Aber weil es jetzt so viele davon gibt, musste er sich umstellen und ist jetzt auch zum Raubtier geworden."
Fischer verlieren fast ihren ganzen Fang
Für die Fischer wird die Lage immer schwieriger. Inzwischen könne er einen Großteil seines Fangs nicht mehr verkaufen, sagt Fischer Follone. Er fordert mehr Aufklärung. Die Fischer dürften Fischreste und die Würmer nicht zurück ins Meer werfen, damit sie sich nicht weiter vermehren.
Die Wissenschaftler beim Ozeanografischen Institut haben inzwischen das Projekt "Worms Out" gegründet. Mehrere Universitäten sind daran beteiligt. Sie wollen herausfinden, wie man den Feuerwurm wieder in den Griff kriegen kann. Denn das Problem ist: Fressfeinde haben die Feuerwürmer so gut wie nicht.
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