Mehr als eineinhalb Jahre nach ihrem aufsehenerregenden Protest im Live-TV gegen den Militäreinsatz in der Ukraine ist die russische Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa in einer anderen Angelegenheit in Abwesenheit zu achteinhalb Jahren Straflager verurteilt worden. Owsjannikowa wurde wegen "Verbreitung von Falschinformationen" über die Armee verurteilt, wie ein Moskauer Gericht am Mittwoch erklärte.
Das Urteil bezieht sich auf eine Protestaktion im Juli 2022. Damals hatte Owsjannikowa allein in der Nähe des Kremls demonstriert und dabei ein Schild hochgehalten, auf dem sie die militärische Intervention in der Ukraine und den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisierte. "Putin ist ein Mörder. Seine Soldaten sind Faschisten. 352 Kinder sind (in der Ukraine) getötet worden. Wie viele Kinder müssen noch sterben, damit sie aufhören?", war auf dem Transparent zu lesen.
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Protestplakat während TV-Livesendung in Kamera gehalten
Die damals noch beim russischen Staatsfernsehen angestellte Redakteurin hatte kurz nach Kriegsbeginn gegen die Ukraine im März 2022 für großes Aufsehen gesorgt. Mitten in einer Live-Nachrichtensendung sprang sie ins Bild und hielt ein Protestplakat, mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg, glaubt der Propaganda nicht, sie lügen euch hier an", hoch.
Owsjannikowa kündigte ihren Job bei dem Sender, wurde wegen Verunglimpfung des russischen Militärs angeklagt und zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (etwa 284 Euro) verurteilt.
Flucht aus Hausarrest nach Frankreich
Nach dem erneuten Protest im Juli wurde die heute 45-Jährige festgenommen und unter Hausarrest gestellt, konnte aber mit ihrer Tochter im Oktober 2022 nach Frankreich fliehen. Die russischen Behörden setzten sie auf eine Fahndungsliste, leiteten ein Verfahren ein und stellten sie in Abwesenheit vor Gericht.
Wo genau sich Owsjannikowa derzeit aufhält, ist nicht bekannt. Nach Angaben in ihrem Nutzerkonto im Online-Dienst Instagram befindet sie sich in Frankreich.
Owsjannikowa: Vorwürfe "absurd und politisch motiviert"
In einer am Dienstag vor der Urteilsverkündung veröffentlichten Erklärung bezeichnete sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe als "absurd und politisch motiviert". Die Justiz habe "beschlossen, mich fertig zu machen, weil ich keine Angst habe und die Dinge beim Namen nenne", sagte sie.
"Natürlich gebe ich meine Schuld nicht zu. Und ich leugne auch keines meiner Worte. Ich habe eine sehr harte, aber die einzig richtige moralische Entscheidung in meinem Leben getroffen, und ich habe bereits einen hohen Preis dafür bezahlt", erklärte sie weiter.
Bereits Tausende Russen zu Geldstrafen und Haft verurteilt
Wie sie wurden bereits Tausende Russen zu Geldstrafen verurteilt und Hunderte strafrechtlich belangt, weil sie in den vergangenen 20 Monaten öffentlich den Krieg kritisierten oder an Protesten teilnahmen. Der Kreml verfolgt Oppositionelle, Menschenrechtsaktivisten und unabhängige Medien mithilfe von Gesetzen, die Kritik an der von ihm so bezeichneten "speziellen Militäroperation" verbieten.
Führende Kremlkritiker wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, Nichtregierungsorganisationen zur Schließung gezwungen und unabhängige Nachrichtenseiten blockiert. Viele Journalisten haben das Land aus Angst vor Strafverfolgung verlassen.
Mit Informationen von AFP, AP und dpa
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