Die Bühne bei der FDP-Landtagswahl-Party in München am 09.10.23
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Die Bühne bei der FDP-Landtagswahl-Party in München am 09.10.23

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"Frustration": Wollen die FDP-Mitglieder raus aus der Ampel?

Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden? Das soll die Partei nach dem Willen hunderter Liberaler alle Mitglieder fragen. Kann das Ergebnis die Ampel sprengen? Und wie ist die Stimmung in der bayerischen FDP?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Weckruf Freiheit" – so haben mehrere Landes- und Kommunalpolitiker der FDP einen offenen Brief an die Bundestagsfraktion der Liberalen überschrieben. Ihre Kernforderung hat es in sich: "Die Beendigung der Ampelkoalition muss unverzüglich in Angriff genommen werden." Das liege "im Interesse unseres Landes, der Freiheit und unserer Partei".

Die Rebellion gegen die eigene Ampel-Beteiligung kommt vor allem aus Hessen, genauer gesagt aus dem Kasseler FDP-Kreisverband. Man sei zwar grundsätzlich bereit "für konstruktive Kompromisse und eine verantwortungsvolle Politik", heißt es in dem Schreiben. "Jedoch nicht um den Preis der Aufgabe unserer fundamentalen Werte, Freiheit und Wohlstand, Maß und Mitte, die für uns nicht verhandelbar sind." So leide etwa die Wirtschaft unter der verschwenderischen Politik von Grünen und SPD: "Überregulierung, Fehlinvestitionen und exzessive Sozialausgaben führen zur Inflation."

"Weckruf Freiheit": FDP soll raus aus der Ampel

Das Ziel der Initiatoren: Die Bundes-FDP soll alle Parteimitglieder in Deutschland befragen, ob die Liberalen Teil der Bundesregierung bleiben oder die Ampel-Koalition verlassen sollen. Um eine solche Befragung beim Bundesvorstand zu beauftragen, braucht man mindestens 500 Unterschriften von Parteimitgliedern – eine Marke, die seit vergangener Woche offenbar erreicht ist.

Wann und in welcher Form genau die Befragung stattfindet, ist bisher allerdings laut dem bayerischen FDP-Landesvorsitzenden Martin Hagen nicht klar. "Meines Wissens sind die Unterschriften noch nicht beim Bundesvorstand eingegangen", sagt Hagen auf BR24-Anfrage. Er weist auch darauf hin, dass es sich nicht um einen Mitgliederentscheid handeln würde, an dessen Ergebnis die Parteispitze gebunden wäre. Sondern lediglich um eine Mitgliederbefragung, die ein Stimmungsbild zeige.

Hagen: "Natürlich gibt es Frustration"

Bundesweit haben die Liberalen gut 75.000 Mitglieder, in Bayern sind es aktuell laut einem Parteisprecher rund 8.200. "Natürlich gibt es bei vielen unserer Mitglieder eine Frustration über die Performance der Bundesregierung", räumt Hagen ein. Der FDP-Landeschef weiß, wovon er spricht: Bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober verpassten die Liberalen den Wiedereinzug in den Landtag, aktuell muss Hagen die alte FDP-Landtagsfraktion abwickeln.

Der bayerische Landeschef ist sich trotzdem sicher: "Es gibt in der FDP keine Mehrheit dafür, dass wir ohne konkreten inhaltlichen Grund aus der Regierungsverantwortung fliehen und damit einer Großen Koalition oder Schwarz-Grün den Weg ebnen." Trotz allen Unmuts in der Partei sei das die Erkenntnis, die er aus etlichen Diskussionen und Aussprachen gewonnen habe.

Laut Hagen gibt es bei einer Mitgliederbefragung kein Quorum, die Ampel-Gegner könnten also bei ausreichender Mobilisierung im Fall einer insgesamt niedrigen Beteiligung für ein mehrheitliches Nein sorgen. Generell hält er eine solche Befragung zum jetzigen Zeitpunkt für wenig sinnvoll. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt lässt der Ampel genau zwei Optionen: Entweder es kommt jetzt zu einem echten Politikwechsel – oder die Ampel zerbricht aufgrund unüberbrückbarer Differenzen. In beiden Fällen wäre das Anliegen der Mitgliederbefragung hinfällig."

Befragung: Seehofer warnt vor "Trugschluss"

Auch Susanne Seehofer, stellvertretende Stadtvorsitzende der FDP München, hält nichts von einem sofortigen Ampel-Aus. Sie halte es für einen Trugschluss, dass ein Austritt aus der Koalition die FDP bis zur nächsten Bundestagswahl stärken würde, betont Seehofer auf BR24-Anfrage. Sie verweist auch auf die "daraus resultierenden innen- wie außenpolitischen Querelen". Die FDP stünde da "als eine Partei, der das eigene Wohl näher liegt als das des Landes und die sich aus der Verantwortung stiehlt".

Anders äußert sich Matthias Fischbach, zuletzt parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Landtag. "Die Ampel-Koalition hatte definitiv einen schwierigen Start, mit drei ganz verschiedenen Partnern", sagt er. Dabei gebe es durchaus Erfolge wie das "entschlossene Reagieren auf den russischen Angriffskrieg in Europa" oder das Deutschlandticket. Eine Mitgliederbefragung hält Fischbach für eine begrüßenswerte demokratische Mitmachkultur: "Eine gute Gelegenheit, für uns als Liberale unsere Leitplanken neu zu justieren."

Heubisch für Ampel-Aus: "Werde mit Ja antworten"

Ein abschließendes Stimmungsbild bei den bayerischen Liberalen sind die Einschätzungen von Hagen, Seehofer und Fischbach freilich nicht. Der frühere bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch erklärte vor einigen Tagen im Netzwerk LinkedIn: "Ich werde die Umfrage unter den FDP-Mitgliedern mit Ja beantworten und plädiere gleichzeitig für Neuwahlen." Er sei überzeugt, dass die Ampel die "dramatischen Probleme in Deutschland" nicht lösen werde, betonte Heubisch.

Landeschef Hagen stört derweil auch die Fragestellung der Initiatoren der Mitgliederbefragung: "Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?" Diese Ja-oder-Nein-Frage sei "unterkomplex", findet Hagen. Wenn überhaupt müsse es mehr Antwortmöglichkeiten geben, die den Verbleib der Liberalen in der Ampel an inhaltliche Bedingungen knüpfen. "Zum Beispiel: 'Voraussetzung für eine Fortsetzung der Koalition ist eine sparsamere und effizientere Politik – unter Einhaltung der Schuldenbremse und ohne höhere Steuern.'"

Lindner: "FDP bestimmt deutlich den Kurs mit"

Klar ist: Eine Befragung aller FDP-Mitglieder wäre für die Parteispitze mit Risiken verbunden. Spricht sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, die Ampel zu verlassen, befände sich Parteichef Christian Lindner in einem Dilemma. Zuletzt warb Lindner im "Handelsblatt" für einen Ampel-Verbleib: "Die FDP bestimmt deutlich den Kurs mit, den die Bundesregierung einschlägt", sagte er. Es gebe aktuell keinen Anlass, "der ganzen Unsicherheit, die es derzeit in der Welt gibt, noch eine weitere hinzuzufügen".

Die Initiatoren der Mitgliederbefragung sehen das völlig anders. Sie schreiben: "Abschließend zitieren wir Christian Lindner (FDP): 'Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.'"

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