Nach dem Migrationsgipfel im Kanzleramt hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich zuversichtlich gezeigt, dass seine Ampel-Regierung bei dem Thema gemeinsame Lösungen mit Ländern und Opposition finden wird. "Wir haben ein gutes Gespräch gestern im Kanzleramt gehabt", sagte Scholz am Samstag auf einer SPD-Versammlung in seinem Wahlkreis in Teltow bei Potsdam. "Das soll ein Thema sein, wo wir miteinander die Probleme lösen und nicht alle mit dem Finger aufeinander zeigen. Ich glaube, das hat unser Land verdient und das wollen auch die Bürgerinnen und Bürger."
Scholz begrüßte die Beschlüsse, die die Ministerpräsidenten der Länder am Freitag vor dem Spitzentreffen im Kanzleramt getroffen haben. Sie würden gut zu dem passen, was die Bundesregierung schon auf den Weg gebracht oder sich vorgenommen habe. "Deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wir das schaffen werden, uns unterzuhaken, dass Bund und Länder und wenn es klappt auch die Parteien der Opposition mitmachen."
Länder fordern Bezahlkarte für Asylbewerber
Die Länder verlangen in ihrem Beschluss vom Freitag unter anderem effektive Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren, stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen und eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber, statt Zahlungen in bar. "Die bislang getroffenen Maßnahmen sind noch nicht ausreichend, um eine Begrenzung der irregulären Migration zu erreichen", heißt es in ihrem Papier.
Nach der Ministerpräsidentenkonferenz hatte Scholz am Freitagabend bei einem Abendessen im Kanzleramt mit den Ministerpräsidenten Boris Rhein (Hessen, CDU), Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) und erstmals auch mit CDU-Chef Friedrich Merz als Oppositionsführer im Bundestag Einigungsmöglichkeiten bei dem Thema ausgelotet. Alle Seiten nannten die etwa zweistündigen Beratungen anschließend konstruktiv - auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gab. Bis zu einem Treffen aller Ministerpräsident mit Scholz in Berlin am 6. November sollen nun konkrete Lösungen gefunden werden, wie man den Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland in den Griff bekommen kann.
Merz fordert vom Kanzler Appell an Migranten
Die CDU-Vertreter Merz und Rhein legten einen eigenen Katalog zur "Begrenzung illegaler Migration" mit 16 nationalen Maßnahmen und zehn weiteren Schritten auf europäischer Ebene vor. Scholz soll demnach in einer Regierungserklärung klar machen, dass Deutschlands Aufnahmekapazitäten "erschöpft" seien.
Verlangt werden zudem die "Einführung lageangepasster, stationärer Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und zur Schweiz", Transitzonen für beschleunigte Asylverfahren für Geflüchtete mit geringer Bleibeperspektive und die Einstufung von Algerien, Marokko, Tunesien und Indien als sichere Herkunftsstaaten. Außerdem soll zur Verringerung der Attraktivität Deutschlands ein eigenes Sozialleistungsniveau "für abgelehnte Asylbewerber und Personen im Asylerfahren unterhalb des Niveaus des Bürgergelds" geschaffen werden.
"Jetzt liegt es am Kanzler, unser Angebot anzunehmen", sagte dazu Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der "Rheinischen Post". Gefragt seien nun "konkrete Schritte, um illegale Migration nach Deutschland und Europa zu begrenzen und deutlich zu reduzieren". CDU-Chef Merz sagte dazu der "Welt am Sonntag", Scholz müsse "öffentlich einen Aufruf an diejenigen richten, die sich auf den Weg zu uns machen wollen". Der Appell müsse lauten: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es eine Bleibeperspektive in Deutschland gibt. Also macht Euch bitte erst gar nicht auf den Weg."
Bayerns Innenminister sieht noch viele offene Fragen
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wertete den Gipfel im Kanzleramt als gutes Signal für eine Änderung der Migrationspolitik. Allerdings seien bis zu den endgültigen Beschlüssen am 6. November noch einige Fragen zu lösen.
Herrmann bekräftigte im BR-Fernsehen die Forderung nach einer sogenannten "Integrationsgrenze" für Asylbewerber: "CDU und CSU sagen ganz klar, dass bei mehr als 200.000 im Jahr wir in Deutschland extreme Probleme bekommen, das vernünftig zu integrieren. Und deshalb haben wir das als eine entsprechende Zahl auch in den Raum gestellt." Doch darüber gibt es keinen Konsens auf Bundes- und Länderebene.
Ebenso umstritten ist die Höhe der Sozialleistungen für Asylbewerber. Deutschland dürfe hier nicht an der Spitze der EU stehen, so Herrmann: "Wir behaupten nicht, dass Menschen sich allein wegen dieser Leistungen auf die Flucht begeben. Aber wenn sie in Europa ankommen, haben viele eine sehr klare Vorstellung, dass sie ausgerechnet nach Deutschland wollen. Und das hängt schon ganz wesentlich damit zusammen, dass hier die höchsten Sozialleistungen gezahlt werden."
"Jetzt muss auch der Bund Farbe bekennen"
Der Deutsche Städtetag wertete das Treffen als Erfolg, warnte aber nun vor einem "Weiter so". Vizepräsident Burkhard Jung (SPD) sagte der "Rheinischen Post", trotz fehlender konkreter Beschlüsse sei das Treffen das "schon lange notwendige wichtige Signal" gewesen, dass die "Hilferufe aus den Städten in der Bundespolitik angekommen sind und die Bereitschaft besteht, gemeinsam handfeste Lösungen zu suchen".
"Bund und Länder sowie Regierung und Opposition dürfen nach den Gesprächen jetzt aber nicht in alte Muster zurückfallen und sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben", fuhr der Leipziger Oberbürgermeister fort. Die Vorschläge der Länder bei der Ministerpräsidentenkonferenz zu mehr Rückführungen und schnelleren Asylverfahren seien der richtige Ansatz. "Jetzt muss auch der Bund Farbe bekennen", sagte Jung.
Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, forderte Aufnahmezentren an den deutschen Außengrenzen, um die Migration zu begrenzen und zu steuern. "Wir brauchen Zentren für die Registrierung der Ankommenden auf deutschen Flughäfen und auch an den deutschen Außengrenzen", sagte er dem "Tagesspiegel". Am 6. November bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz müsse zudem "klar sein, dass die Bezahlkarte kommt".
Mit Informationen von dpa und AFP
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