Zum Auftakt des Europawahlkampfs der SPD hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen "Kurs der Besonnenheit" im Ukraine-Krieg hervorgehoben. "Ich wundere mich, wenn einige sagen, besonnene Politik ist nicht richtig", betonte der Kanzler bei einer Großkundgebung in seiner Heimatstadt Hamburg. "Wir machen das Meiste, aber wir machen es klug abgewogen, zum richtigen Zeitpunkt und mit aller Konsequenz."
Versprechen an diejenigen, "die Angst haben"
Scholz bekräftigte, dass Deutschland unter seiner Führung als - wie er sagte - größter Waffenlieferant weiter an der Seite der Ukraine stehen, aber eine direkte Konfrontation der Nato mit Russland vermeiden werde. "Denjenigen, die sich Sorgen machen, die Angst haben, denen sage ich: Sie können sich darauf verlassen, dass egal, wie die Debatten jeweils laufen, der deutsche Bundeskanzler, die von mir geführte Regierung, den Kurs der Besonnenheit, den Kurs, abgewogen zu handeln und Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten, nicht verlassen werden."
Scholz wird von der Union, aber auch von Politikern seiner beiden Koalitionspartner Grüne und FDP für sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine scharf kritisiert. Die große Mehrheit der Bevölkerung steht Umfragen zufolge aber hinter seiner Entscheidung. Scholz war vor diesem Hintergrund vorgeworfen worden, die Entscheidung gegen Taurus getroffen zu haben, um einen "Friedens-Wahlkampf" führen zu können.
Klingbeil: In der Tradition von Brandt und Schmidt
"Frieden" ist nun einer der zentralen Begriffe auf den SPD-Wahlplakaten für die Europawahl am 9. Juni, auf denen Scholz und Spitzenkandidatin Katarina Barley zusammen zu sehen sind. Parteichef Lars Klingbeil erklärte das auf der Kundgebung auf dem Altonaer Fischmarkt damit, dass sich die SPD mit ihren früheren Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt immer wieder für Frieden in der Welt starkgemacht habe. "Und diese Politik, in dieser Tradition setzt unser sozialdemokratischer Kanzler Olaf Scholz fort. Und ich bin dankbar dafür, wie besonnen er in dieser Zeit, wo so vieles aus den Fugen gerät, handelt."
Ukraine-Krieg vor Rente und Kampf gegen Rechts
Scholz stellte den Krieg in der Ukraine an den Beginn seiner ersten Wahlkampfrede - vor andere Themen wie den Kampf gegen Rechts und die Absage an eine Anhebung des Renteneintrittsalters. In einer Diskussionsveranstaltung mit Bürgern in Lüneburg bekräftigte er unmittelbar vor dem Wahlkampfauftakt seine Absage an eine Taurus-Lieferung - und nannte den Marschflugkörper sogar beim Namen, was er bisher immer vermieden hat.
Die Waffe reiche 500 Kilometer weit und sei so präzise, "da können wir direkt ein Wohnzimmer ansteuern", sagte er. Deswegen habe er gesagt: "Das ist nur verantwortlich, wenn wir die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten." Das würde aber eine Kriegsbeteiligung bedeuten und komme deshalb nicht in Frage.
Scholz gegen FDP-Forderung: Ampel schafft Rente mit 63 nicht ab
Der Bundeskanzler stellte zudem klar, dass die Ampel-Bundesregierung die sogenannte Rente mit 63 nicht abschaffen wird. "Das wird mit uns nicht geändert", sagte er mit Blick auf Forderungen der oppositionellen Union, aber auch des Koalitionspartners FDP. Es sei "nicht vertretbar", wie jetzt über Menschen geredet werde, die 45 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt hätten und deshalb mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen könnten.
Scholz lehnte zudem - ebenso wie Klingbeil - ein späteres Renteneintrittsalter ab, weil dies faktisch einer Rentenkürzung gleichkomme. Es sei zudem richtig, dass die Ampel ein stabiles Rentenniveau beschlossen habe.
Barley: Ukrainer entscheiden alleine über Ende des Kriegs
Spitzenkandidatin Barley betonte, dass die Ukrainer nicht zu einem Friedensschluss gedrängt würden. "Nur sie alleine können entscheiden, wann und wie dieser Krieg enden wird. Bis dahin werden wir sie unterstützen."
Neben dem Thema Frieden will die SPD den Kampf gegen Rechts und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie für soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellen. Scholz soll dabei neben Barley eine tragende Rolle einnehmen. "Er ist ein zentraler Akteur dieses Wahlkampfs, und das wird man entsprechend auch merken", hatte Generalsekretär Kevin Kühnert bei der Vorstellung der Wahlkampagne am vergangenen Donnerstag angekündigt.
Scholz bei drei weiteren Kundgebungen dabei
Die SPD hatte bei der letzten Europawahl 2019 mit 15,8 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl erzielt. Derzeit liegt sie in den Umfragen bei 16 bis 17 Prozent.
Scholz wird an drei weiteren Kundgebungen in Karlsruhe (18. Mai), Leipzig (1. Juni) und zum Abschluss des Wahlkampfs am 8. Juni in Duisburg teilnehmen. Zudem sind gemeinsame Diskussionsveranstaltungen mit Barley geplant.
Mit Informationen von dpa und Reuters
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