Wenige Tage nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine steht Olaf Scholz im Bundestag. Regierungschef ist er zu diesem Zeitpunkt erst seit knapp drei Monaten. Und doch prägt der SPD-Politiker bei dieser Sondersitzung einen Begriff, der wohl für immer mit seiner Kanzlerschaft verbunden bleibt: Scholz ruft eine sicherheitspolitische Zeitenwende aus. Heißt konkret: Die Bundeswehr soll modernisiert werden. "Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen; Schiffe, die in See stechen und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind", stellt der Kanzler damals fest.
Bisher 1,2 von 100 Milliarden für die Bundeswehr ausgegeben
Möglich machen soll es ein eigenes Sondervermögen für die Bundeswehr. Also ein Schuldentopf, gefüllt mit Kreditoptionen von 100 Milliarden Euro. Viel Geld für neue Kampfjets, Panzer, Luftverteidigungssysteme und andere militärische Großprojekte. Doch schon bald macht sich Ernüchterung breit. Der Vorwurf von Teilen der Opposition: Das Geld fließe nicht ab. "Es kommt nichts an", bemängelt etwa der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul Ende vergangenen Jahres.
Tatsächlich ist zu diesem Zeitpunkt noch kein einziger Euro aus dem Sondervermögen ausgebeben worden. Und bis Mitte Juni dieses Jahres sind lediglich rund 1,2 Milliarden abgeflossen. Das teilt das Verteidigungsministerium auf BR24-Anfrage mit. Mit dem Geld wird zum Beispiel der Einstieg in den Kauf von modernen Tarnkappenjets aus den USA bezahlt. Dass die Mittel insgesamt nicht schneller abfließen, wird so begründet: Das Geld könne aus haushaltsrechtlichen Gründen erst abfließen, wenn das bestellte Gerät geliefert wurde. Und das dauere bei Großprojekten wie modernen Kampf- und Schützenpanzern eben seine Zeit.
Modernisierung der Bundeswehr: CDU fordert mehr Tempo
Ein Argument, das Kritiker wie Roderich Kiesewetter nicht überzeugt: "Wo ein politischer Wille ist", findet der CDU-Außenpolitiker, "kann man auch sehr schnell Abflüsse schaffen". Einerseits lobt er Verteidigungsminister Boris Pistorius dafür, dass dieser damit begonnen hat, den Verwaltungsapparat zu reformieren – beispielsweise durch das Streichen unnötiger Vorschriften. Andererseits gehen Kiesewetter die bisherigen Schritte nicht weit genug. Vor allem muss das Beschaffungsamt der Bundeswehr aus seiner Sicht neu aufgestellt werden: "Gegen die Lehmschicht, gegen die Bedenkenträger." Hier sei politischer Wille gefragt – den aber sehe er nicht, so Kiesewetter.
Die Koalition weist solche Vorwürfe zurück. Der FDP-Abgeordnete Karsten Klein findet, dass die Ampel ein hohes Tempo vorlege. Als Beispiel nennt er den Kauf des Flugabwehrsystems "Arrow 3": Vor Kurzem hat der Bundestag erste Mittel dafür freigegeben. So sollen bestimmte Teile bestellt werden können, bevor eine umfangreiche Beschaffungsvorlage für das Projekt fertig ist. Von einer solchen Geschwindigkeit habe "die Union in ihrer Zeit in der Verantwortung im Verteidigungsministerium nur träumen können", meint der Abgeordnete aus Aschaffenburg.
Bisher ein Drittel aus Sondervermögen verplant
Bis Ende dieses Jahres will die Bundesregierung das Ziel erreichen, dass zwei Drittel des Geldes aus dem Sondervermögen verplant sind - in Form von Verträgen und anderen festen Vereinbarungen mit der Rüstungsindustrie. Bisher ist aber nur ein Drittel der Kredite vertraglich gebunden. Und bis Jahresende sind es keine sechs Monate mehr.
Hinzu kommt, dass Inflation und Zinszahlungen Teile des Sondervermögens auffressen. Im dazugehörigen Wirtschaftsplan beziffert die Bundesregierung den Schuldendienst für das laufende Jahr auf knapp 280 Millionen Euro – im Verhältnis zum Gesamtumfang des Sondervermögens ein geringer Betrag. Doch bisher ist eben nur ein kleiner Teil der zur Verfügung stehenden Kreditoptionen gezogen worden. Und angesichts steigender Zinsen ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Zahlungen gegen Ende der Laufzeit des Modernisierungsprogramms erheblich höher liegen werden. Für die Bundeswehr ist es ein Wettlauf gegen die Zeit.
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