Über 5.000 Kilometer Schienenwege in Deutschland werden nicht für den Öffentlichen Personennahverkehr genutzt, hätten aber Potenzial dazu.
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Über 5.000 Kilometer Schienenwege in Deutschland werden nicht für den Öffentlichen Personennahverkehr genutzt, hätten aber Potenzial dazu.

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Stillgelegte Bahnstrecken: Sollten mehr wiederbelebt werden?

Stillgelegte Bahnstrecken: Sollten mehr wiederbelebt werden?

Viele stillgelegte Bahnstrecken könnten wiederbelebt werden – auch als Beitrag für die Verkehrswende. Profitieren würden Tausende Pendler und Unternehmen. Doch seit Jahren geht kaum etwas voran, kritisieren Verkehrsverbände. Woran liegt das?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Um die Verkehrswende zu schaffen, braucht es viele verschiedene Maßnahmen. Auch die Wiederbelebung stillgelegter Bahnstrecken gehört zu diesen Maßnahmen. Die Forderung, in der Vergangenheit aufgegebene Schienenabschnitte wieder in Betrieb zu nehmen, ist nicht neu. Viele Politiker und Wirtschaftsvertreter unterstützen sie. Dennoch passiert viel zu wenig, sind sich der Verband der Verkehrsunternehmen und die Allianz pro Schiene einig.

Verbände kritisieren: kaum Kilometer wiederbelebt

Alle zwei Jahren zieht die Branche Bilanz, wie viele Streckenkilometer reaktiviert wurden. Das Ergebnis: Innerhalb von zwei Jahren wurden lediglich 21 Kilometer wiederbelebt. "Das ist erschütternd angesichts der Herausforderungen beim Klimaschutz. Wir können so nicht weitermachen", sagt Dirk Flege von der Allianz pro Schiene.

Die Liste mit Vorschlägen, welche Strecken wiederbelebt werden sollten, wird immer länger. Inzwischen umfasst sie bundesweit 325 Strecken mit mehr als 5.400 Kilometern Länge. Mehr als 30 Strecken liegen in Bayern. Im Freistaat sind besonders viele mittelgroße Städte vom Bahnnetz abgeschnitten, erklärt Martin Henke vom Verband der Verkehrsunternehmen.

Unter den Top 10 der Strecken, deren Reaktivierung sich laut der Verbände besonders lohnen würde, liegt beispielsweise der Abschnitt zwischen Wolfratshausen und Geretsried. Im Ländervergleich lag Bayern in den vergangenen Jahren bei der Reaktivierung von Strecken weit hinten, so die Verbände.

Fast vier Millionen Menschen könnten profitieren

Es ist deutlich einfacher und günstiger, eine stillgelegte Strecke zu reaktivieren als eine neu zu bauen, betont Henke. Mit wenig Aufwand schaffe man so mehr Kapazität im Personen- und Güterverkehr. Nach den Berechnungen der Verkehrsunternehmen könnten durch die vorgeschlagenen Wiederbelebungen deutschlandweit rund 3,8 Millionen Menschen wieder einen direkten Zugang zum Bahnnetz erhalten.

Das wäre nicht nur für die Verkehrswende gut, sagt Flege von der Allianz pro Schiene: "Die Menschen fühlen sich abgehängt im ländlichen Raum." Mit dem Ausbau des Bahnnetzes entstehe eine Alternative zum Auto und gebe es mehr Möglichkeiten, mobil zu sein. Damit kann laut Flege dem Gefühl, abgehängt zu sein, entgegengewirkt werden. "Das ist auch ein demokratiepolitisches und gesellschaftspolitisches Thema."

Länder sollen für Schneckentempo verantwortlich sein

Er wirft der Politik vor, die ländlichen Räume zu wenig im Blick zu haben. Vor allem die Bundesländer würden dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Planungsverfahren müssten vereinfacht und Fördermittel auf Landes- und Bundesebene aufgestockt werden.

Obwohl der Bund seine Mittel erst kürzlich verdoppelt hat – von einer auf zwei Milliarden Euro. Voraussetzung für die Unterstützung des Bundes ist eine Machbarkeitsstudie, die belegen muss, dass die Wiederbelebung einer Bahnstrecke auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Branchenverbände fordern, die Bundesmittel auf drei Milliarden Euro zu erhöhen.

Fehler liegt in der Bahnreform der 90er Jahre

Während bei anderen Verkehrswegen wie Wasserstraßen oder Autobahnen die Kapazitäten gleichgeblieben oder gestiegen sind, ist das Bahnnetz um zwölf Prozent geschrumpft. Der Fehler liegt in der Bahnreform Mitte der 90er Jahre. Damals wurden viele Strecken aufgegeben.

Zu viel Sanierung, zu wenig Ausbau?

Die Rolle rückwärts scheint nun schwieriger zu sein als bisher gedacht – auch weil sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Bahn derzeit auf die Sanierung des vorhandenen Schienennetzes konzentrieren. Milliarden fließen in die Generalsanierung wichtiger, viel befahrener Bahnstrecken. In diesen Tagen wird der Abschnitt zwischen Frankfurt am Main und Mannheim größtenteils komplett erneuert.

Die Experten fordern: Das eine machen, ohne das andere sein zu lassen. Neben der Sanierung müssten auch der Ausbau des Netzes und damit die Wiederbelebung stillgelegter Strecken vorankommen.

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