Auf gut 50 Kilometern Länge wird die Fahrt auf der B12 zwischen Buchloe und Kempten zu einer Panoramafahrt durchs grüne Allgäu. Dörfer, Wiesen und wie auf einer Kinoleinwand die Berge. Aus der zwei- bis dreispurigen Bundesstraße soll eine autobahngleiche Trasse werden mit 28 Metern Breite - ein massives Band versiegelter Fläche mitten durch eine Bilderbuchlandschaft.
Bürger sind geteilter Meinung
Die Meinungen dazu gehen in Buchloe auseinander. "Die Straße gehört schon lange ausgebaut", sagt ein Passant dem BR-Reporter. Ein anderer hält dagegen: "Grundsätzlich bin ich dafür, dass man eher von Auto und Straßen wegkommt und auf die öffentlichen Verkehrsmittel kommt." Ein dritter ist im Zwiespalt: "Also ich finde es schon eine gute Idee, ich fahre die B12 auch öfter. Ich weiß aber auch, dass es erheblichen Widerstand gibt und vor allem die Anlieger es zu mächtig finden."
Klagen gegen Planfeststellungsbeschluss
Vor einem Jahr, am 9. Juni 2022, hat die Regierung von Schwaben in einer Pressemitteilung den Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt verkündet - für das Teilstück von der Anschlussstelle an die A96 bei Buchloe/Jengen bis Germaringen. "Die Maßnahme ist erforderlich, um das derzeitige und künftige Verkehrsaufkommen zu bewältigen und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten", heißt es in dem Erlass.
Zwei Kommunen klagen gegen den Beschluss, stellen aber den Ausbau insgesamt nicht in Frage. Der Bund Naturschutz will den Ausbau der B12 mit seiner Klage dagegen ganz stoppen. "Es ist wohl eines der klimaschädlichsten Straßenbauprojekte, die im Bundesverkehrswegeplan für Bayern noch drin sind", sagt Thomas Frey, der aus dem Allgäu stammt und Verkehrsexperte beim Bund Naturschutz ist. Der Bau setze durch die Verwendung von Beton und Asphalt CO2-Emissionen frei, außerdem müssten Wälder gerodet werden und es würden Böden zerstört, unter anderem Niedermoor-Böden. "Und ich bekomme mehr Verkehr, also mehr Emissionen", so Thomas Frey.
Lieber die Bahn ausbauen als die Straße?
Neben dem deutschen Klimaschutzgesetz setzt der Naturschutzverband noch einen eher ungewöhnlichen Hebel an: das internationale Abkommen der Alpenkonvention, das für die betroffenen Gebiete gelte. "Die Alpenkonvention fordert, bevor ich eine Straße hochrangig ausbaue in eine Autobahn, muss ich prüfen, ob ich dieses Verkehrsbedürfnis nicht auch mit der Bahn oder anderen Verkehrsträgern ermöglichen kann", erklärt Frey und fügt hinzu: "Das hat überhaupt nicht stattgefunden."
Wurde die Alpenkonvention missachtet?
Rechtlich ist die Frage hochinteressant: Die Alpenkonvention wurde 1991 zwischen den Alpenstaaten als internationales Abkommen zum Schutz und der nachhaltigen Entwicklung des Alpenraumes abgeschlossen. Konkret fordert das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention in Artikel 8: "Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei großen Neubauten und wesentlichen Änderungen oder Ausbauten vorhandener Verkehrsinfrastrukturen Zweckmäßigkeitsprüfungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Risikoanalysen vorzunehmen und deren Resultaten im Hinblick auf die Ziele dieses Protokolls Rechnung zu tragen."
Verkehrsministerium: B12-Ausbau ist regelkonform
Nach Auffassung des Bund Naturschutz wurde nicht geprüft, inwieweit das Mobilitätsbedürfnis in der Region etwa mit Bussen und Bahnen erfüllt werden könnte, wenn die auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzten Ausbaukosten alternativ investiert werden. Auch Flächensparen im Straßenbau sei bisher in Deutschland nahezu ein Fremdwort. Konkret zur B12 erklärt das Bayerische Verkehrsministerium: "Zur sicheren Abwicklung des Verkehrs erhält die B12 den nach den Regelwerken erforderlichen Querschnitt."
"Deutschlandtempo" versus Klima- und Umweltschutz
Das neue "Deutschlandtempo" für 144 Straßenausbauprojekte soll auch der neuen Verkehrsprognose des Bundes bis 2051 Rechnung tragen, die weiter steigende Zahlen vor allem im Schwerlastverkehr vorhersagt. Damit würde der Straßenausbau wie an der B12 erst recht zementiert, kritisiert Thomas Frey: "Der Straßenbau würde auf die Beschleunigungsspur gesetzt und alle anderen Aspekte, wie zum Beispiel bei der B12 der Moorschutz, das wird dann von vornherein gesetzlich beiseitegeschoben", so der Verkehrsexperte beim Bund Naturschutz. "Das kann's meines Erachtens im Jahr 2023 nicht mehr sein, wenn wir wirklich Klima- und Umweltschutz betreiben wollen."
So stellt die Auseinandersetzung um die B12 die Verkehrspolitik grundsätzlich auf den Prüfstand: Klimaschutz bis 2030 oder Straßenausbau jetzt erst recht. Das Projekt B12 markiert einen Kipppunkt. In welche Richtung es geht, ist noch offen.
"Am Kipppunkt - warum die Politik von Klimazielen redet und trotzdem Straßen offensiv ausbaut" heißt ein Funkstreifzug von Georg Bayerle. Zu hören heute um 12:17 in BR24 Radio oder als Podcast in der ARD-Audiothek.
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