Eine Familie Geflüchteter geht durch die zu einer Massenunterkunft umfunktionierten Messehalle in Frankfurt (Archivbild)
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Im Asylrecht ist der richtige Weg umstritten (Archivbild)

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Streit ums Asylrecht – was geht und was nicht

Streit ums Asylrecht – was geht und was nicht

In der Asyldebatte wird vor allem von konservativen Politikern eine grundlegende Änderung des Asylrechts gefordert – auch eine Mehrheit der Deutschen äußert sich in Umfragen entsprechend. Doch der beanspruchte Kurswechsel stößt juristisch an Grenzen.

Über dieses Thema berichtet: Die Entscheidung am .

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" – so steht es in Artikel 16a GG, Absatz 1. 1993 wurde das Asylrecht allerdings durch die sogenannte Drittstaatenregelung drastisch eingeschränkt. Obwohl Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist, bedeutet es aber nicht, dass keine Asylbewerber mehr nach Deutschland kommen können – das haben die vergangenen Jahre gezeigt.

Zuletzt kamen aber weniger. "Die Asylgesuche liegen aktuell um 40 Prozent unter denen des Vorjahres", bilanziert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Etwa jeder zweite Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2024 positiv beschieden, die Schutzquote liegt bei 45,7 Prozent.

Grafik: Wie viele Erstanträge auf Asyl werden aktuell in Deutschland gestellt?

Söder: "Nicht die Gerichte sollen entscheiden"

Die CSU will, dass weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen und hat eine Idee aus der Schublade genommen, die sie bereits Anfang der 90er Jahre entwickelt hatte – sie fordert wie damals, das individuelle Recht auf Asyl durch eine institutionelle Garantie zu ersetzen. "Es hängt unter anderem an dem Asylrecht auch im Grundgesetz, wir müssen dieses Asylrecht ändern", sagt Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident. "Nicht die Gerichte sollen entscheiden, sondern die Politik soll sagen, was sie sich vorstellt."

Das Ziel der CSU und führender CDU-Politiker ist dasselbe wie in den 90er Jahren: Nicht jeder, egal woher er kommt, soll an der Grenze um Asyl bitten können. Die Union will nicht jeden aufnehmen müssen, bis über den Asylantrag bis in die letzte Instanz entschieden ist. Doch das ist rechtlich höchst umstritten.

Grafik: Wie viele Asylanträge wurden in der Vergangenheit in Deutschland gestellt?

Bei Asyl ist Europarecht relevant

Constantin Hruschka, Experte für internationales und europäisches Migrationsrecht, hält es aus juristischen Gründen für wenig zeitgemäß, Vorschläge aus den 90ern erneut zu diskutieren: "Inzwischen ist das Asylrecht viel weiter ausgestaltet, weil das Europarecht und das Völkerrecht eine stärkere Rolle haben. Und beide sehen ein individuelles Klagerecht vor", sagt Hruschka, "das heißt, selbst wenn man es in Deutschland abschaffen könnte – was ich bezweifle – hätte man immer noch die Notwendigkeit, aus völker- und europarechtlichen Gründen das individuelle Recht auf Asyl zu gewähren."

Zwei-Drittel-Mehrheit ist nicht in Sicht

Könnte man das im Grundgesetz verankerte Asylrecht tatsächlich fundamental ändern? Constantin Hruschka bezweifelt dies – aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 1996 zum Asylkompromiss. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zieht allerdings aus dem Urteil den Schluss, dass das im Grundgesetz verankerte Asylrecht nicht zu den "unantastbaren Verfassungsgrundsätzen" gehöre: "Ebenso steht es dem (…) Gesetzgeber frei, anstelle des subjektiv-rechtlichen Asylgrundrechts ein objektives Prinzip der Asylgewährung verfassungsrechtlich zu verankern", lautet die bereits 2018 formulierte Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.

Für eine Verfassungsänderung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die dürfte aber selbst nach der Bundestagswahl kaum zustande kommen. SPD und Grüne werden sich kaum auf eine Grundgesetzänderung einlassen.

Asylrecht im Grundgesetz hat hohe Symbolkraft

Artikel 16a GG hat vor allem eine hohe Symbolkraft. Eine Aufhebung würde de facto kaum Auswirkungen haben. So sieht es der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages. "In der Praxis kommt dem nationalen Schutz gegenüber dem internationalen Schutz eine untergeordnete Bedeutung zu", heißt es in dem immer noch geltenden Gutachten aus dem Jahr 2018. Das im Grundgesetz verankerte, und im Jahr 1993 deutlich eingeschränkte deutsche Asylrecht ist in der Praxis kaum mehr relevant für die Entscheidung über einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet heute über Asylanträge vor allem auf Basis europäischen Rechts und der Genfer Flüchtlingskonvention.

CDU-Chef Merz: Asylbewerber an der Grenze zurückweisen

CDU-Chef Friedrich Merz will auf anderem Weg erreichen, dass weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen. Sie sollen bereits an der Grenze zurückgewiesen werden. CDU und CSU wollen auch Asylsuchende, die in einem anderen europäischen Land registriert wurden oder dort einen Asylantrag stellen können, an der Grenze abweisen. Ob und unter welchen Bedingungen das möglich wäre, ist juristisch höchst umstritten.

An der deutsch-österreichischen Grenze wird bereits seit 2015 kontrolliert, zuletzt wurden diese "vorübergehenden" Grenzkontrollen, sowie die Kontrollen an der Grenze zu Polen, Tschechien und der Schweiz verlängert. Eigentlich dürfen im Schengen-Raum Grenzkontrollen nur für maximal sechs Monate, in Ausnahmefällen bis zu zwei Jahre angeordnet werden. Sie müssen gut begründet werden. Daniel Thym, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Konstanz, schreibt in einem Beitrag auf "Verfassungsblog.de": "Es spricht … sehr viel dafür, dass die Kontrollen an den deutsch-österreichischen Grenzen rechtswidrig sind."

Europarecht: Niemand soll in Europa umherirren

Doch die Grenzkontrollen, die inzwischen an fast allen deutschen Grenzen angeordnet wurden, werden voraussichtlich auch von einer künftigen Bundesregierung verlängert. Ob Grenzkontrollen Asylbewerber wirklich abhalten, nach Deutschland zu kommen, ist umstritten. Denn wer an der Grenze ein Asylgesuch vorbringt, darf nach Ansicht von Experten nicht einfach zurückgewiesen werden. Selbst wenn es sich um einen sogenannten "Dublin-Fall" handelt, also eine Person, die bereits in einem anderen europäischen Land einen Asylantrag gestellt hat. Die Dublin III-Verordnung schreibt vor, dass Deutschland zunächst prüfen muss, welches europäische Land zuständig ist. Damit soll auch verhindert werden, dass Flüchtlinge in Europa "umherirren", weil kein Land sich ihrer annehmen will.

Asylgesuch darf nicht an Grenze entschieden werden

Die Bundespolizei darf also nicht direkt an der Grenze darüber entscheiden, ob ein Asylgesuch rechtmäßig ist. Selbst wenn die Person schon in einem anderen europäischen Land registriert wurde oder bereits einen Asylantrag gestellt hat. "Eine rechtmäßige Zurückweisung von Schutzsuchenden an der Grenze kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt nach geltendem Europarecht infrage", sagt Europarechts-Experte Hruschka. Zurückweisen kann die Bundespolizei nur Personen, die kein Asylgesuch an der Grenze vorbringen.

Erst vor Kurzem, im Oktober 2024, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den Fall eines Syrers, der nach dem sogenannten "Seehofer-Deal" von 2018 an der Grenze bei Passau innerhalb kürzester Zeit zurückgewiesen wurde. Obwohl er ein Asylgesuch vorbrachte, war er ohne rechtliche Prüfung seines Falls nach Griechenland abgeschoben worden. Das ist nach dem Urteil des EGMR nicht zulässig.

Versuch der Abschreckung?

Die rechtlichen Möglichkeiten für Zurückweisungen und Grenzkontrollen sind also eingeschränkt, solange das europäische Recht nicht auf politischer Ebene reformiert wird. Im Moment wertet Hruschka die Vorstöße der Unionsparteien auch eher als Versuch, Asylbewerber abzuschrecken: "Das, was jetzt versucht wird, ist das, was zum Beispiel Dänemark macht, was in der Forschung 'Negative Nation Branding' heißt, also sozusagen einen möglichst schlechten Ruf für das Land zu haben, damit möglichst wenig Leute dorthin gehen." Das aber, sagt der Experte für europäisches Recht, habe für Deutschland erhebliche wirtschaftliche Nachteile, "denn es wird im Ausland dann nicht allein auf Asyl bezogen sein."

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