Symbolbild Einsamkeit: Eine junge Frau steht in ihrer Wohnung an einem Fenster.
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Studie zur Einsamkeit: Welchen Einfluss die Coronapandemie hatte

Familienministerin Lisa Paus hat heute das erste bundesweite Einsamkeitsbarometer vorgestellt. Die Daten zeigen auch, wie viele Menschen sich in der Coronapandemie einsam gefühlt haben – und dass vor allem eine Gruppe stark betroffen war.

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"Sichtbarkeit für ein unsichtbares Problem" - das sei das Ziel der Bundesregierung, wie es Familienministerin Lisa Paus (Grüne) heute bei der Vorstellung des ersten Einsamkeitsbarometers formulierte. Die Studie gibt Einblicke, wie viele Menschen von Einsamkeit in Deutschland betroffen sind – und wie sich die Lage in den vergangenen 30 Jahren entwickelt hat.

Seit Anfang der 90er-Jahre erhebt das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) Zahlen zum Thema. Befragt werden Menschen ab 18 Jahren, die neueste Stichprobe für das Jahr 2021 liegt bei 30.000 Personen. Die nun vorgestellten Daten bilden den Zeitraum von 1992 bis 2021 ab, also bis ins zweite Jahr der Coronapandemie. Aussagen darüber, ob und wie stark die Effekte der Pandemie wieder zurückgegangen sind, kann das Einsamkeitsbarometer noch nicht liefern. Erst im kommenden Jahr würde man neue Daten erheben, sagte Benjamin Landes, Direktor des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik und Leiter des Projekts Kompetenznetz Einsamkeit, der die Studie gemeinsam mit Paus vorstellte.

Welchen Einfluss Corona hatte

Über den kompletten Untersuchungszeitraum gesehen sind besonders Menschen ab 75 Jahren betroffen, junge Menschen dagegen am wenigsten. Während Corona drehte sich das allerdings um: Im Jahr 2020 gab fast jeder Dritte im Alter zwischen 18 und 29 Jahren an, von Einsamkeit betroffen zu sein. Bei Menschen über 75 war es 2020 rund jeder Vierte. "Die Pandemie hat das Erleben von Einsamkeit extrem verschärft", fasste Paus zusammen. Man dürfte nicht die Augen vor "sozialem Long Covid" verschließen.

Im zweiten Corona-Jahr lag die Zahl der älteren Menschen, die sich einsam fühlen, wieder fast auf Vor-Pandemie-Niveau (2017: 9,1 Prozent, 2021: 10,2 Prozent). Bei Jüngeren ging die Zahl zwar auch zurück, war mit 14 Prozent allerdings immer noch höher als bei den Über-75-Jährigen. "Es gilt zu beobachten, ob sich dies auch längerfristig verfestigt", erklärte Benjamin Landes.

Insgesamt gingen die Zahlen bei allen Gruppen von 2020 auf 2021 deutlich zurück. Ob dieser Trend seitdem anhält? "Es könnte sein, dass dieser abflachende Verlauf sich weiter fortgesetzt hat", sagte Landes. Ob die Werte wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau zurückgegangen sind, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht sagen.

Fast acht Millionen Menschen von Einsamkeit betroffen

Bis zur Pandemie war laut Studie bei den Älteren eine positive Entwicklung zu sehen. "Im Vergleich zu den 1990er-Jahren sind die Einsamkeitsbelastungen bei den älteren Personen in den 2010er-Jahren signifikant zurückgegangen". 1993 lag der Wert bei fast 20 Prozent, 2017 mit rund 9 Prozent deutlich niedriger. Auch bei den anderen Altersgruppen ging die Zahl der einsamen Menschen von 1992 bis 2017, der letzten Datenerhebung vor Corona, deutlich zurück.

Die neuesten Zahlen zeigen die Lage im Jahr 2021: 11,3 Prozent der Gesamtbevölkerung sind demnach von Einsamkeit betroffen "Damit gibt jede neunte Person an, sich häufiger als manchmal einsam zu fühlen – dies entspricht in etwa 7,8 Millionen Menschen in Deutschland", so Landes. Für diese Menschen hat das auch gesundheitliche Folgen: "Im Jahr 2021 hatten 60,7 Prozent der Menschen mit erhöhten Einsamkeitsbelastungen eine unterdurchschnittliche körperliche Gesundheit", heißt es in dem Bericht.

Wer besonders betroffen ist

Frauen in Deutschland leiden stärker unter Einsamkeit, wie das Barometer zeigt. Die Pandemie hat diesen Unterschied noch mal verstärkt. Bei Frauen waren es 2021 13 Prozent, bei Männern 10 Prozent. Vor Corona lag das Verhältnis bei rund 9 zu 7 Prozent.

Auch bei gesellschaftlichen Gruppen lassen sich Unterschiede erkennen. Demnach sind Alleinerziehende, Menschen ohne Arbeit oder mit niedrigen Bildungsabschlüssen besonders von Einsamkeit betroffen. Gleiches gilt für Personen mit Fluchterfahrung oder chronischen Erkrankungen, wie die Daten der Studie zeigen. Auch Menschen, die viel Sorgearbeit leisten und Angehörige pflegen, gehören dazu.

Kaum Unterschiede finden sich dagegen regional – die Zahlen im Vergleich Stadt/Land oder West/Ost zeigen nur minimale Differenzen.

Welcher Zusammenhang mit der politischen Einstellung besteht

Das Barometer zeigt zudem einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und politischen Einstellungen. "Das Vertrauen von Menschen mit Einsamkeitserfahrungen in demokratische Institutionen wie den Bundestag, Parteien oder die Polizei ist deutlich niedriger als bei nicht einsamen Menschen", sagte der Leiter des Kompetenznetzes Einsamkeit, Benjamin Landes. Dies zeige sich auch an der Beteiligung an Wahlen: Während nicht einsame Menschen zu 80 Prozent ihre Stimme abgeben, sind es bei einsamen nur 70 Prozent.

"Einsamkeit schadet unserer gesamten Gesellschaft und belastet den demokratischen Zusammenhalt", bilanzierte Grünen-Politikerin Paus bei der Vorstellung des Berichts. Zudem belaste Einsamkeit besonders Menschen, "die ohnehin Benachteiligung erfahren" hätten. Prävention und Linderung seien deswegen ein Beitrag zur Stabilität der Demokratie.

Was gegen Einsamkeit hilft

Landes und Paus stellten Maßnahmen vor, die gegen das Problem helfen sollen. "Resilient gegen Einsamkeit machen vor allem gute Beziehungen zu nahestehenden Personen", sagte Landes. Als Beispiel zählte er Freunde und Familie auf. Zudem helfe die Teilnahme an Sport- und Kulturveranstaltungen.

Familienministerin Paus erklärte, dass man "das Thema aus der Tabuzone" holen müsse. Aufmerksamkeit wolle man über eine Aktionswoche im Juni schaffen, aber auch mit Kampagnen über Social Media, die besonders junge Menschen ansprechen sollen. Schon im Dezember hatte die Bundesregierung 111 Maßnahmen zur Bekämpfung der Einsamkeit verabschiedet. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau von Förderprogrammen, Stärkung von generationenübergreifenden Wohnformen oder dass man die digitale Kompetenz älterer Menschen fördern will.

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