Die islamistischen Kämpfer von Hajat Tahrir al-Scham (HTS) haben eigenen Angaben zufolge die Kontrolle über die syrische Hauptstadt Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad eingeläutet. Die Regierungszeit Assads ist der staatlichen Armee zufolge beendet. Dies habe das Armee-Kommando den Regierungssoldaten mitgeteilt und diese damit außer Dienst gestellt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus syrischen Militärkreisen.
Assad in den Emiraten?
Assad habe zuvor Damaskus mit unbekanntem Ziel verlassen, sagten zwei hochrangige Offiziere zu Reuters. Ein syrisches Flugzeug war nach den Daten von Flightradar vom Flughafen in Damaskus zu der Zeit gestartet, als die Einnahme der Hauptstadt durch die Rebellen bekannt wurde. Möglicherweise hält sich Assad in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf. Ein ranghoher Diplomat wich der Frage aus, ob Assad in sein Land geflohen ist.
Aufständische dringen in Präsidentenpalast ein
Inzwischen sind die Aufständischen in Damaskus in den Präsidentenpalast eingedrungen. Augenzeugen berichteten der dpa, die bewaffneten Kämpfer hätten das Palastgelände betreten und "Gott ist groß" gerufen. Ein deutschsprachiger HTS-Kämpfer kommentierte am frühen Samstagabend auf Telegram, dass der Dschihad für jeden jungen Muslim im befreiten Gebiet eine Pflicht sei.
Am 27. November war der Bürgerkrieg in Syrien, der 2011 begonnen hatte, mit der Offensive von HTS plötzlich wieder aufgeflammt. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Islamisten die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama, weitgehend kampflos.
UN-Bericht: Assad ließ systematisch foltern
Der Hass auf das Assad-Regime sitzt tief. In den syrischen Gefängnissen erleiden Insassen nicht nur systematische Folter, sondern tragen auch schwerwiegende körperliche und seelische Schäden davon. Dies belegt ein Bericht der Vereinten Nationen, der auf den Aussagen von über 300 ehemaligen Häftlingen basiert. Einige der Folterer, die einst im Namen Assads Verbrechen begingen und später als Geflüchtete nach Deutschland kamen, müssen sich hier vor Gericht verantworten. Unterdessen machen auf der Plattform "X" Bilder die Runde, die angeblich die Befreiung von Gefangenen aus syrischen Gefängnissen zeigen.
Wie ist Siegeszug der HTS möglich?
Viele Experten sind vom Siegeszug der Islamisten überrascht - auch der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Beobachter blicken gespannt darauf, wie die HTS ihre Herrschaft gestalten wird, sollte sie die Macht tatsächlich übernehmen – insbesondere, wenn das internationale Interesse mit der Zeit nachlässt.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief die Konfliktparteien in Syrien zum Schutz der religiösen und ethnischen Minderheiten auf. Dazu gehöre der umfassende Schutz von Kurden, Alawiten, Christen und anderen Minderheiten, sagte Baerbock.
Israel schickt Streitkräfte in Golanhöhen
Israel ist indes beunruhigt über die Entwicklung in Syrien. So hat Israel Streitkräfte in die Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen verlegt. Außerdem bombardierte Israel nach Aussagen von zwei Personen aus regionalen Sicherheitskreisen den Luftwaffenstützpunkt Chalchala in Südsyrien. Mindestens sechs Einschläge hätten den Stützpunkt, in dem die syrische Armee einen großen Vorrat an Raketen und Flugkörpern gelagert habe, getroffen, sagten die Personen. Mit dem Angriff sollte offenbar verhindert werden, dass diese Waffen in die Hände radikaler Gruppen fallen, sagte einer der Insider.
Die US-Regierung sprach von "außergewöhnlichen Ereignissen" in Syrien. Der designierte US-Präsident Donald Trump verbreitete auf "X": "Auf jeden Fall ist Syrien ein Chaos, aber nicht unser Freund." Trump zufolge sollten die USA nichts damit zu tun haben.
Syrer wollen zurück in ihre Heimat
Derweil drängeln sich an der libanesischen Seite zahlreiche Syrer, die in ihre Heimat zurückkehren wollen. Verschiedene Medien berichten zudem, dass syrische Soldaten in Scharen das Land verlassen. Der Irak habe mehr als 1.000 Soldaten aus dem Nachbarland aufgenommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur INA.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP
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